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KN: Die Kieler Roboter gehen am Stock

Champions League

KN: Die Kieler Roboter gehen am Stock

Köln. Die Zebras des THW Kiel gehen nach dem Final Four der Champions League in Köln endgültig am Stock. Auch im Kopf: Die Niederlage im Halbfinale gegen Veszprem nach Verlängerung wirkte am Montag noch nach. Erneut kritisierten THW-Trainer Alfred Gislason und Geschäftsführer Thorsten Storm die hohe Belastung. "Die Spieler mutieren zu einer Art Handball-Robotern", so Storm.

THW Kiel zwischen Final Four und Eisenach

Die Brauhäuser rund um den Dom waren bis in die Nacht hinein fest in der Hand von Handball-Fans. Alle vier Lager feierten friedlich das Gipfeltreffen im europäischen Handball, das mit der wohl fantastischsten Aufholjagd des polnischen Meisters KS Vive Kielce um den deutschen Europameister und neuen Vereins-„König“ Tobias Reichmann endete. Die THW-Karawane ereilte am Montag in einer von Pleiten, Pech und Pannen geprägten Saison indes ein weiterer Nackenschlag: Nachdem ein Mann im Flughafen Köln-Bonn den Sicherheitsbereich umgangen hatte, wurden alle Terminals geräumt, die Kieler (und ihre Familien) mussten mittags kurzerhand in einen schlecht klimatisierten Bus umsteigen. Wie üblich: Zeit zum Durchatmen bleibt kaum. Am Mittwoch fliegen Alfred Gislason und seine Mannschaft von Hohn aus in einer Red-Bull-Chartermaschine direkt nach Eisenach. "Eine Geste des Sponsors, die wir gern annehmen, damit die Spieler mehr Zeit zu Hause haben", erklärte THW-Geschäftsführer Thorsten Storm den ungewöhnlichen Reiseweg. Zeit zu Hause, die rar ist. Unmittelbar nach Saisonende werden die Nationalspieler in der kommenden Woche schon wieder bei ihren jeweiligen Nationalteams erwartet. Der Termin-Irrsinn geht ungebremst in Richtung Olympia-Vorbereitung, Olympische Spiele und Saison-Vorbereitung in den Klubs weiter. Gleichzeitig werden die Rufe nach einer Reform lauter, hoffen der THW und andere deutsche Spitzenklubs darauf, dass auf der Mitgliederversammlung der Erst- und Zweitligisten am 6./7. Juli beschlossen wird, künftig 16 statt 14 Spieler pro Partie einsetzen zu dürfen. Dies ist in anderen europäischen Topligen bereits der Fall. "Diese Belastung zu ertragen, geht eigentlich nicht. Die Liga muss endlich kapieren, dass es so nicht geht. Das Pensum der Nationalmannschaft ist auch absurd. Ich hatte zuletzt fünf Leute auf der Bank, die sich gerade noch aufs Feld schleppen konnten", sagt beispielsweise Alfred Gislason. Die kleineren Vereine fürchten allerdings, dass ihnen bei einer Erhöhung weitere gute Spieler von den Topklubs abgeworben werden. Storm: "Ich habe das Gefühl, dass man uns in der Liga nicht helfen wird. Aber wir brauchen die Europacup-Klubs, um den Stellenwert der Sportart aufrechtzuerhalten." Der THW reagiert mit einer Aufstockung seines Kaders, will in der kommenden Saison mit 16 Profis und vier Nachwuchsspielern ins Rennen gehen. Aber in welchem Wettbewerb? Noch ein Sieg fehlt, um Platz drei in der Bundesliga zu sichern. "Ich bin mir nicht mal sicher, dass wir Dritter werden", sagt Gislason vor dem Auftritt beim ThSV Eisenach (Mittwoch, 20.45 Uhr) skeptisch und ergänzt: "Ich weiß nicht, wie ich die Mannschaft auf Eisenach vorbereiten werde, momentan ist die Enttäuschung bei allen riesengroß." Platz drei sei, so Torwart Niklas Landin, "Motivation genug" - und das nach bislang 54 Pflichtspielen, 13 Verletzungen und fünf nachverpflichteten Spielern. Als Dritter könnte der THW erneut auf einen Platz in der Champions League hoffen. Neben dem deutschen Meister und dem Zweiten kann sich der Dritte über den Deutsche Handballbund (DHB) um eine Wild Card für die Königsklasse bewerben. "Wie im vergangenen Jahr gehe ich davon aus, dass der Dritte einen Antrag stellen wird", sagte EHF-Generalsekretär Michael Wiederer in Köln. Am 24. Juni wird die Exekutive der Europäischen Handball-Föderation (EHF) die Teilnehmer festlegen. Am 1. Juli werden die Gruppen ausgelost. Die deutschen Mannschaften werden dabei auch in der kommenden Saison in den höherklassigen Gruppen A und B spielen. Laut Wiederer würde dann auch ein dritter Bundesligist wegen seiner Stärke in diese Staffeln einsortiert. "Es macht keinen Sinn, die Gruppen zu disbalancieren." Alfred Gislason muss vor dem Trip nach Eisenach das Final Four aus den Köpfen seiner Spieler verbannen. "Eine Saison ohne Titel ist bitter, aber keine Überraschung. Die Saison war schwierig, eine unglaubliche Bastelarbeit mit all den Verletzten." Seine Spieler gehen am Stock. "In Eisenach kann ich einen Domagoj Duvnjak eigentlich kaum bringen. Was er in den letzten Wochen auf sich nehmen muss, ist unmenschlich." (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 31.05.2016, Foto: Sascha Klahn)