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KN: Der Traum vom Triple lebt

Bundesliga

KN: Der Traum vom Triple lebt

Kiel. Der THW Kiel hat am Sonntag im 99. Nordderby gegen die SG Flensburg-Handewitt mit 20:18 (siehe auch THW-Spiebericht) den 59. Sieg gefeiert. Eine Abwehrschlacht, eine Torhüter-Show - und am Ende zwei wichtige Kieler Punkte, die im Titelrennen den Druck auf die SG um zig Bar erhöhen. Das (kleine) Triple aus DHB-Pokal, EHF-Cup und Meisterschaft lebt als Traum in Kieler Köpfen weiter.

Der THW Kiel besiegt die SG Flensburg-Handewitt im 99. Nordderby

Unverwechselbar: Mit hundert und noch viel mehr km/h schlägt nach knapp 51 Minuten ein Stemmwurf von Domagoj Duvnjak im Flensburger Tor ein wie ein Donnerschlag. Es steht 18:16, ein Resultat wie in der Jugend im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga, das keinen Schönheitspreis verdient hat, aber ansonsten alle Wünsche auf der Handball-Klaviatur bedient, die schmutzigen Töne ebenso spielt wie die klaren, hohen, markerschütternden. Defensive Weltklasse trifft auf defensive Weltklasse: Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler dirigieren im Kieler Innenblock die 6:0-Deckung des THW, bei der SG stehen Routinier Tobias Karlsson und Simon Hald im Weg. Keine Spur von klassischen Klavierpartituren. Eher geht wie bei Jerry Lee Lewis der Flügel in Flammen auf.

Verdichtendes, robustes, brachiales Weltniveau macht den Angriffsreihen das Leben schwer. Duvnjak, Duvnjak, Steffen Weinhold - bis zum 5:2 (10.) führen dreimal erst Schlagwürfe zum Ziel. Die SG kann ihre Spielzüge mit Lauge, Glandorf und Gottfridsson besser ausspielen, abräumen, die Außen in Position bringen. Derby-Goalgetter Lasse Svan, Hampus Wanne und später Magnus Jøndal bringen es allerdings am Ende auf elf Fehlversuche. Hat es das jemals gegeben?

Alfred Gislason reagiert, bringt den kleinen, quirligen Miha Zarabec im Rückraum für den indisponierten Lukas Nilsson. Domagoj Duvnjak rückt aus der Mitte nach halblinks. Duvnjak, Zarabec, Niklas Landin im Tor werden die Komponisten des Sieges sein. Der kroatische Kapitän lauert, segelt, antizipiert in der Deckung. Zarabec prellt, verharrt offensiv wie das Kaninchen vor der Schlange, rennt sich fest, ist doch wieder unberechenbar. Und Landin? 16 Paraden! Und was für welche! Ohne Worte.

Tobias Karlsson fällt bei der SG früh mit Rückenproblemen aus (18.). Johannes Golla und Anders Zachariassen verhindern Qualitätsverlust. Steffen Weinhold rackert sich genau in diesen Regionen ab, verwirft, holt Siebenmeter heraus. Zarabec mit einem Traum-Anspiel auf Hendrik Pekeler (11:10/28.), 11:11 zur Pause. Können beide dieses Niveau halten? Es bleibt ein Spiel der verpassten Chancen. Tempogegenstoß Wiencek - Latte (31.). Tempogegenstoß Pekeler - Benjamin Buric im SG-Tor hält (32.). Aber auch die SG-Virtuosen zeigen Nerven: Glandorf über das Tor (35.), Jøndal weit vorbei (39.) und immer wieder Niklas Landin gegen Glandorf, Svan, Gottfridsson. "Irgendwann war Landin in den Köpfen meiner Spieler", sagt SG-Coach Maik Machulla später. Und Alfred Gislason adelt seinen Schlussmann nach Abpfiff mit einem "Nicht schlecht!". Für noch mehr Lob, so Landin lachend, müsse "Alfred wohl erst mal das Video vom Spiel sehen". 

Die zweite Halbzeit endet 9:7, und es sind nicht die feinen Melodien, die am Ende entscheiden, sondern eher die "Great Balls Of Fire". Nur noch ein Pass zu spielen, das Zeitspiel droht, und dann fasst sich Duvnjak mit seinem Donnerschlag zum 18:16 ein Herz. "Ich kann mich an keinen Angriff in der letzten Viertelstunde erinnern, wo wir nicht ins Zeitspiel geraten", sagt Hendrik Pekeler. Duvnjaks nächster Versuch landet am Kopf von Simon Hald (53.). Die Emotionen kochen hoch, der Kroate ist geknickt, wollte das nicht. Niklas Landin hält einfach weiter, schlägt die lauten Akkorde an, gegen Rød (54.), gegen Jøndal (58.). Und dann ist mit Duvnjaks Einzelleistung (Pekeler: "Er ist ein echter Anführer") zum 20:17 (59.) das 99. Nordderby entschieden. "Jetzt schauen wir auf den EHF-Cup, und danach will ich versuchen, die letzten drei Spiele zu genießen und zu gewinnen", sagt Alfred Gislason. Vom Triple spricht niemand. Noch nicht.

(Von Merle Schaack und Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 13.05.2019, Foto: Sascha Klahn)

Stimmen zum Spiel aus den Kieler Nachrichten:

Alfred Gislason, THW-Trainer: "Das war ein sehr gutes Derby. Das werde ich mit Sicherheit vermissen. Da war viel Kampf, viele Emotionen, gute Abwehrreihen. Aber ich ärgere mich natürlich über die vielen ausgelassenen Chancen. Ich bin sehr stolz - wir wollten unbedingt gewinnen, um in der Meisterschaft weiter Spaß zu haben. Jetzt gibt es noch einen kleinen Funken Hoffnung."

Maik Machulla, SG-Trainer: "Ich bin hin- und hergerissen. Wir haben vieles richtig gemacht, und ich bin stolz, dass wir noch immer in der Situation sind, aus eigener Hand Meister zu werden. Aber ich ärgere mich wahnsinnig über die vielen vergebenen freien Chancen. Erfahrene Spieler müssen den Ball auch einfach mal am Torwart vorbei kriegen. So war es nicht genug, um hier zu gewinnen."

Patrick Wiencek, THW-Kreisläufer: "Es war kein schönes, hochklassiges Spiel - höchstens in der Abwehr. Man hat gemerkt, dass es um eine Menge ging. Hätten wir verloren, wäre die Meisterschaft dahin gewesen. Die Paraden von Niklas ( Landin, d. Red. ) am Ende waren entscheidend. Jetzt hoffen wir, dass Flensburg noch einmal patzt. Auch wenn das unwahrscheinlich scheint."

Holger Glandorf, SG-Linkshänder: "Jetzt haben wir vier Endspiele - das wissen wir. Unsere Abwehr ohne Tobias Karlsson hat gezeigt, was alles möglich ist. Aber 20:18 ist ja ein Feldhandball-Ergebnis - wir haben heute einfach nicht genügend Tore geworfen. Wir werden jetzt aber bestimmt nicht mit hängenden Köpfen Kiel verlassen. Für mich ist die Ausgangslage unverändert."

Dierk Schmäschke, SG-Geschäftsführer: "Die Mannschaft, die weniger Chancen ausgelassen hat, hat gewonnen. Jetzt müssen wir eben noch die große Runde bis zum Saisonende drehen. Die Mannschaft ist selbstbewusst genug, diesen Weg zu gehen. Wir sind stolz, mit dieser frischen Mannschaft so weit gekommen zu sein. Darauf können wir stolz sein. Es war ein tolles Derby mit zwei tollen Torhütern."