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Sieg des Willens

Champions League

Sieg des Willens

Der THW Kiel hat ein dramatisches, intensives und packendes Spitzenspiel in der VELUX EHF Champions League für sich entschieden: Als Niklas Landin den finalen Wurf von Gilberto Duarte mit einer spektakulären Flugparade über die Latte lenkte, schien es, als erzitterten die Mauern der Sparkassen-Arena. 9318 Zuschauer jubelten ausgelassen mit den Zebras, die mit großem Willen und einer unglaublichen Energieleistung Montpellier HB mit 33:32 (16:19) besiegt hatten. Nach zwischenzeitlichem Vier-Tore-Rückstand kämpften sich die Kieler zurück in die Begegnung, hatten in Nikola Bilyk (8 Tore) ihren überragenden Akteur und überwintern nach diesem finalen Königsklassen-Kraftakt 2019 an der Tabellenspitze der Gruppe B.

Rasanter Start

Leidenschaft auf und neben dem Platz

Riesen-Jubel gab es in der Sparkassen-Arena schon vor dem Anpfiff: Kapitän Domagoj Duvnjak meldete sich zurück, nahm zumindest auf der Bank Platz und unterstützte seine Mannschaftskollegen mit viel Einsatz und Leidenschaft an der Seitenlinie. Die erwischten zumindest offensiv einen guten Start, legten vor, setzten - wie bei Miha Zarabec' Pass auf Ekberg und Steffen Weinholds klasse Anspiel auf Wiencek - auch spielerische Akzente. Defensiv offenbarten die Kieler aber auch Schwächen, bekamen den variablen, mit viel Tempo agierenden Angriff der Franzosen kaum gestellt. So entwickelte sich eine rasante Torejagd, die allein in der neunten Minuten drei Treffer produzierte. Diese schloss Weinhold mit dem 7:6 ab - es sollte die vorerst letzte Kieler Führung gewesen sein. Montpellier setzte mit schnellen Händen in der Abwehr Akzente, verhinderte das Kieler Aufbauspiel - und jeder Fehler der Zebras wurde brutal bestraft. 

Montpellier liegt vorn

Schwerstarbeit für Harald Reinkind & Co.: MHB forderte den Zebras alles ab

Mit einem 3:0-Lauf ging Montpellier 10:8 in Führung, der THW konnte durch Harald Reinkinds 103 km/h-Geschoss wieder ausgleichen. Und doch lag das berühmte Momentum bei den Franzosen: Bonnefoi entschärfte einen Ekberg-Siebenmeter, Sego hielt einen Reinkind-Gegenstoß - wieder waren die Gäste zwei Tore vorn. Doch abschütteln ließ sich der THW nicht, blieb dran. Längst hatte THW-Trainer Filip Jicha auf die enorme Belastung, 45 Stunden zuvor hatten die Zebras noch beim HC Erlangen gewonnen, reagiert und durchgewechselt. Bilyk verkürzte auf 14:15, Weinhold mit einem Unterarmwurf auf 15:16, wieder Bilyk auf 16:17. In der Schlussminute dieser Tor- und Tempohatz im ersten Durchgang verließen die Kieler aber ein wenig die Kräfte: Simonet wackelte die Defensive aus, vorn leisteten sich die Zebras einen Fehlpass, den Bos umgehend bestrafte, und Sego hielt gegen Dahmke: Mit einem 16:19-Rückstand ging es in die Kabine.

Vier-Tore-Rückstand und ein Ruck

Niclas Ekberg erzielte sieben Treffer

Unglücklich verlief dann auch der Start in Durchgang zwei: Sego hielt einen Ekberg-Gegenstoß, eine Fußballgrätsche auf den Ball durch Simonet wurde kurioserweise nicht geahndet, und Porte verwandelte zum 21:17. Und als Lenne in Überzahl zum 22:18 einnetzte, schien alles Bemühen ohne Früchte zu bleiben. Aber: Mit ihrer Körpersprache, dem jetzt fest zupackenden Mitteblock aus Pekeler und Patrick Wiencek, dem schnellen Verschieben gegen die im ersten Durchgang überragenden Rückraumspieler der Franzosen ließ Hoffnung aufkeimen. Und die bekam nach dem Nackenschlag richtig Nahrung: Reinkind traf und holte einen Siebenmeter heraus, und auch Lukas Nilsson hatte seine Fackel wiedergefunden: Sein 21:22 sorgte für Stimmung im Rund, und es schien ein Ruck vom Feld auf die Ränge zu springen - der Hexenkessel Sparkassen-Arena begann, richtig zu brodeln.

Bilyk reißt alle mit

Erneut überragend: Nikola Bilyk traf acht Mal

Ein Grund hierfür: Hinter der nun um jeden Zentimeter kämpfenden Abwehr kam auch Niklas Landin in die Partie. Doch egal, was die Zebras auch anstellten: Der erlösende erste Ausgleich nach dem 10:10 sollte einfach nicht gelingen. Da fehlten bei Bilyks Wurf Zentimeter, da kaufte Bonnefoi Ekberg einen freien Ball ab, da fanden die Franzosen über den immer stärker werdenden Richardson doch noch Lücken im schwarz-weißen Betonverbund. Bis zur 49. Minute ging das so - dann fasste sich der überragene Bilyk ein Herz, hielt Landin erst gegen Simonet, dann gegen Richardson. Und als Nilsson den Ball zum 27:27 ins Netz jagte, riss es die Fans aus den Sitzen - jetzt tobte die "weiße Wand", trug Bilyk zum 28:27 und später zum furiosen 30:28: Mit der linken (!) Hand verwandelte Bilyk aus schlechtem Winkel.  

Dramatisches Finale einer echten Top-Partie

Der Moment der Entscheidung: Kiel jubelt, Montpellier ist bedient

Doch auch dieser Kraftakt sollte nicht der Schlusspunkt eines unglaublichen Handballspiels sein. Wieder kam Montpellier zurück, profitierte dabei aber auch von einigen Fehlern der immer müder werdenden Zebras. Mit einem Doppelschlag glichen Duarte und Pettersson drei Minuten vor Schluss wieder aus. Spätestens jetzt wurde es ein echtes Nervenspiel. Bilyk setzte sich im Eins-gegen-Eins durch, Richardson bediente Petterson mit einem Traumpass zum 32:32. 80 Sekunden waren da noch zu spielen. Bilyk setzte sich erneut durch: 33:32 - aber Montpellier blieben mehr als 25 Sekunden Zeit für den Ausgleich. Block Horak gegen Simonet. Noch acht Sekunden. Eckball, Duarte stieg hoch und legte alles in den letzten Wurf. Landin streckte sich, lenkte den Hammer mit einer Hand über die Latte. Schlusssirene, minutenlange Ovationen der Kieler Fans für eine erneut unmenschlich anmutende Leistung ihrer Mannschaft, die mit nunmehr 14 Punkten an der Spitze der Gruppe B überwintern wird, ehe im Februar in den vier noch ausstehenden Partien die Entscheidung über den Gruppensieg fällt.

Dienstag Pokal - Sonntag Heimspiel

Beinahe zu müde zum Feiern: Dienstag geht's weiter!

Das Hammerprogramm der Zebras hat am Dienstag seinen vorläufigen Höhepunkt: Beim TVB Stuttgart geht es um alles oder nichts. Im Viertelfinale des DHB-Pokals wollen die Zebras im dritten Spiel in sechs Tagen den letzten, großen Schritt in Richtung "REWE Final4" machen. "Das ist das wichtigste Spiel des Jahres", sagte THW-Trainer Filip Jicha. Von der Begegnung, die um 20 Uhr angepfiffen wird, gibt es leider keinen Livestream und auch keine TV-Bilder. Anders dann am Sonntag, wenn GWD Minden am zweiten Advent zum LIQUI MOLY Handball-Bundesliga-Spiel in der Sparkassen-Arena gastiert. Für diese Begegnung, die um 16 Uhr beginnt, gibt es noch einige Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, in der THW-FANWELT, bei CITTI, in den famila-Märkten mit Eintrittskartenverkauf und im Ticketcenter der Arena sowie mit Mobile- oder Print@Home-Variante im Online-Ticketskop des THW Kiel. Weiter geht's im DHB-Pokal, Kiel!

VELUX EHF Champions League, 10. Spieltag: THW Kiel - Montpellier HB (FRA): 33:32 (16:19)

THW Kiel: N. Landin (26.-60., 11 Paraden), Quenstedt (1.-26., 3 Paraden); Duvnjak (n.e.), Reinkind (4), M. Landin (4), Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (7/5), Rahmel, Dahmke (1), Zarabec, Horak, Bilyk (8), Pekeler (1), Nilsson (4); Trainer: Jicha

Montpellier HB: Sego (1.-45., 55.-60., 6 Paraden), Bonnefoi (45.-55. und 3 Siebenmeter, 3/1 Paraden); Guiraudou (1), Zammit, Simonet (2), Villeminot, Truchanovicius (2), Descat, Bos (4), Pettersson (3), Richardson (5), Porte (7), Lenne (5), Afgour, Soussi, Duarte (3); Trainer: Canayer 

Schiedsrichter: Vaclav Horacek / Jiri Novotny (CZE)
Zeitstrafen: THW: 2 (M. Landin (7.), Pekeler (35.)) / MHB: 8 (3x Truchanovicius (3., 20., 52.), 2x Porte (25., 37.), 2x Duarte (32., 45.), Pettersson (38.)
Rote Karte: Truchanovicius (3. Zeitstrafe (52.))
Siebenmeter: THW: 6/5 (Bonnefoi hält Ekberg (19.)) / MHB: 0
Spielfilm: 1:0, 3:2 (3.), 5:4, 6:5 (9.), 7:6 (9.), 7:9 (13.), 8:10, 10:10 (18.), 10:12 (20.), 11:13, 13:15 (26.), 14:16, 16:17 (29.), 16:19;
17:19, 17:21 (35.), 18:22 (36.), 21:22 (39.), 23:24, 24:25 (45.), 25:27 (48.), 28:27 (50.), 28:28, 30:28 (54.), 31:29 (55.), 31:31 (57.), 32:32 (59.), 33:32 (59.).
Zuschauer: 9318 (Sparkassen-Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Was sie heute in dieses Spiel gelegt hat, war außergewöhnlich. Diese Leistung war auch etwas Besonderes, weil wir erst vor zwei Tagen in Nürnberg gespielt haben. In der ersten Halbzeit haben wir zahlreiche Eins-gegen-Eins-Situationen verloren, und MHB hat gut angegriffen - es war ein richtig intensives Spiel. Als ich in die Kabine kam, habe ich realisiert, dass die Jungs sich vorgenommen hatten, noch eine Spur mehr in dieses Spiel zu legen. Das haben sie getan - und das gegen einen Gegner, der auch auf einem außergewöhnlichen Level gespielt hat. Ich bin richtig zufrieden. Jetzt werden wir am Sonntag etwas leichter trainieren, und am Montag geht es nach Stuttgart, wo das wichtigste Spiel des Jahres ansteht.

MHB-Trainer Patrice Canayer: Glückwunsch an Kiel, der THW hat verdient gewonnen. Nicht kommentieren möchte ich die Schiedsrichterleistung, nur auf die Zahlen hinweisen. Wir hatten acht Zeitstrafen, Kiel zwei. Kiel hatte sechs Siebenmeter, wir keinen. Also kein Kommentar. Ich bin natürlich sehr enttäuscht über das Resultat, wir haben viel in dieses schwierige Match investiert. Es tut mir leid für meine Spieler, dass wir ohne Zählbares nach Hause fahren. Wir haben gut gespielt - nur das Resultat stimmte leider nicht.

THW-Toptorschütze Nikola Bilyk: Wir haben alles, was wir noch in uns hatten, auf dem Feld gelassen. Das war unser Ziel, und wir haben es erreicht. Einen großen Respekt möchte ich den Spielern von Montpellier aussprechen, sie haben sehr hart gekämpft und gut gespielt, so dass es ein wirkliches Spitzenspiel war.

MHB-Spieler Jonas Truchanovicius: Kiel hatte vor zwei Tagen ein schweres Spiel in der Bundesliga. Unglaublich, was sie heute hier gezeigt haben. Das Resultat ist natürlich enttäuschend für uns. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir bis eine Viertelstunde vor Schluss noch in Führung lagen. In den letzten Minuten haben wir dann leider die Kontrolle über das Spiel aus unseren Händen gegeben.