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KN-Interview mit Christian Dissinger

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KN-Interview mit Christian Dissinger

Kiel. Manchmal ist es einfach an der Zeit nachzufragen. Bei Christian Dissinger zum Beispiel. Der 26-jährige Rückraumspieler vom THW Kiel hat eine lange Leidenszeit hinter sich: Kompartmentsyndrom, Ellenbogen-OP, Kniestauchung. Seit den Olympischen Spielen 2016 in Rio ging es immer wieder auf und ab. Zuletzt legte der Europameister von 2016 (19 Länderspiele/42 Tore) eine Pause in der Nationalmannschaft ein. Wie sind eigentlich Ihre Pläne, Christian Dissinger?

Christian Dissinger will kein Abwehrspezialist sein

Das Wichtigste zuerst: Wie geht es Ihnen?
Christian Dissinger
: Mir geht es wieder gut, die Knieverletzung ist überstanden. Leider waren die letzten Ergebnisse nicht so gut. Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir uns wieder gefangen haben. Gegen Wetzlar beispielsweise hatte ich das Gefühl, wir hätten auch fünf Stunden spielen können und hätten nicht gewonnen. Das Problem bei uns ist, dass manchmal nicht zwei, drei Spieler unter ihren Möglichkeiten bleiben, sondern dann alle.

Sie sprechen das Spiel gegen Wetzlar an - Bundestrainer Christian Prokop war an dem Abend in der Sparkassen-Arena. Gab es einen Kontakt?
Dass er da war, habe ich nach dem Spiel gehört. Es gibt keinen Kontakt. Wir kennen uns nur vom 'hallo' sagen.

Die Bad Boys sind bei der Europameisterschaft weit unter ihren Möglichkeiten geblieben, anschließend stand der Bundestrainer scharf in der Kritik. Wie war Ihr Blick auf die Nationalmannschaft?
Es ist - von außen betrachtet - bei der EM anscheinend einiges falsch gelaufen. Das zu sehen, tat mir schon sehr leid, weil ich weiß, wie viel die Jungs investieren. Ich war Teil dieser Mannschaft, kenne viele Spieler persönlich sehr gut. Klar, das ist irgendwie auch meine Mannschaft. Wenn alles passt, kann ich hoffentlich wieder Teil dieser Mannschaft sein.

Würde sich also der Bundestrainer melden, ...
... würde ich auf keinen Fall 'Nein' sagen.

War die Entscheidung richtig, eine Pause von der Nationalmannschaft einzulegen?
Unbedingt! Die Genesung nach dem Kompartmentsyndrom hat länger gedauert, die Wunde hatte sich infiziert. Ich wollte mir damals den Druck nehmen, wollte in Ruhe und gut zurückkommen. Im Sommer 2017 kam dann noch die Ellenbogen-OP hinzu. Aber ich habe es immer als Ehre empfunden, für Deutschland zu spielen. Wenn meine Leistung stimmt und ich gut und regelmäßig spiele, kann ich der Mannschaft helfen.

Apropos, wie bewerten Sie Ihre Leistung in dieser Saison bisher?
Durch die Ellenbogen-OP ging ich angeschlagen in die Saison, konnte über vier Monate lang nicht vernünftig werfen. In der Abwehr waren meine Leistungen schnell stabil, im Angriff nicht. Ich finde, dass ich das Vertrauen bekomme, und ich will es mit Leistung rechtfertigen, will vorne und hinten spielen, da muss ich aber noch konstanter in meinen Leistungen werden.

Alfred Gislason hat sich in einem Interview Ende des Jahres zu Ihnen geäußert. Man müsse abwarten, ob Sie zu alter Stärke zurückfinden. Ansonsten sei Ihre Rolle eben eine andere - die eines Abwehrspezialisten ...
... und ich weiß, wie ich ein solches Interview einschätzen muss. Ich muss mich ja auch zeigen, muss zeigen, dass ich es kann. Aber in den beiden Spielen gegen Flensburg habe ich bewiesen, dass ich auch im Angriff absolut wertvoll bin. Ich bin nicht zum THW Kiel gekommen, um Abwehrspezialist zu werden.

Das heißt, dass Sie Ihren Vertrag in Kiel, der bis 2020 läuft, erfüllen werden?
Ja, keine Frage. Wir laufen gewiss den sportlichen Zielen momentan hinterher. Aber ich fühle mich wirklich wohl in Kiel.

Woran liegt dieser Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit? Und wie sehen Ihre Ziele aus?
In den Spielen gegen Veszprém oder Flensburg haben wir unser Potenzial gezeigt. So können wir um Titel mitspielen, aber diese ständigen Ausrutscher können nicht sein. Wir werfen wertvolle Punkte einfach weg. Ich sehe bei uns definitiv das Potenzial eines Titelkandidaten. Und wir Spieler sind alle ehrgeizig und wollen Titel gewinnen. Wir ackern uns 330 Tage im Jahr ab und belohnen uns am Ende nicht. Die letzten zweieinhalb Jahre liefen nicht rund.

Was ist denn Ihrer Meinung nach in dieser Saison noch möglich?
In der Bundesliga wird es mit 15 Minuspunkten schwierig, unsere Ziele zu erreichen. Notgedrungen liegen unsere größten Hoffnungen auf der Champions League. Ich glaube, dass wir in der Königsklasse noch für Furore sorgen können.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 28.02.2018, Foto: Sascha Klahn)