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Flensburg-Spielbericht Bundesliga-Derby

Bundesliga

Flensburg-Spielbericht Bundesliga-Derby

Der THW Kiel hat in der DKB Handball-Bundesliga ein richtiges Ausrufezeichen gesetzt: Beim bisher zu Hause ungeschlagenen Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt gewannen die "Zebras" am Sonntagnachmittag das 96. Landesderby auch in der Höhe verdient mit 35:27 (19:16) und beendete damit eindrucksvolle ihre sechsjährige Negativ-Auswärtsserie im Bundesliga-Derby. Den Grundstein für den Erfolg legten die Kieler mit einer begeisternden ersten Halbzeit, an deren Ende sie allerdings "nur" mit einer Drei-Tore-Führung in die Kabine gingen. Im zweiten Durchgang hielt der THW kämpferisch dagegen und machte mit einem starken Andreas Wolff und einem 5:0-Lauf zwischen der 53. und 58. Minute alles klar, an dem auch Kapitän Domagoj Duvnjak, insgesamt mit vier Treffern, einen großen Anteil hatte. Bester Torschütze in der ausverkauften Flensburger Arena war Niclas Ekberg mit 8/3 Treffern, erneut stark präsentierte sich der sechsfache Torschütze Patrick Wiencek. 

THW ohne Bilyk und Santos

Vier Tore bei Derby-Rückkehr: Domagoj Duvnjak

Sechs lange Jahre hatte der THW Kiel in der Bundesliga auswärts bei der SG nicht mehr gewinnen können - und trotzdem fuhren die Kieler nach dem Champions-League-Erfolg mit breiter Brust nach Norden. Auf Nikola Bilyk und Raul Santos musste THW-Trainer Alfred Gislason erneut verzichten, dafür kehrten Duvnjak und Steffen Weinhold zurück in den Kader. Beide blieben jedoch zunächst draußen, weil der Isländer der Derby-Achse von vor elf Tagen im Rückraum vertraute: Lukas Nilsson, Christian Dissinger und Marko Vujin sollten es von Beginn an richten gegen einen Gastgeber, der alles in diese Partie legte - und die frühe Kieler Führung beim 3:2 durch Svan drehte. Doch die "Zebras" ließen sich davon nicht beeindrucken: In der Abwehr stellte Christian Zeitz die Passwege auf Halblinks zu, in der Mitte beackerten Rene Toft Hansen und Wiencek jeden Zentimeter Hallenboden, während sich Dissinger um Glandorfs Vorstöße kümmerte. Vorn spielten die Kieler clever, ließen sich Zeit mit ihren Angriffen und warteten geduldig auf ihre Chance: Vujin wuchtete den Ball bei drohendem Zeitspiel zum 3:3 ins Netz, Ekberg verwandelte einen Siebenmeter sicher zum 4:3, und nach Landins weitem Abwurf, Ekbergs schneller Weiterleitung und Wienceks kompromisslosen Wurf lag der THW erstmals mit zwei Toren vorn. 

Knappe Halbzeitführung

Doch es sollte noch besser kommen: Wiencek klaute hinten den Ball, Zeitz vollendete den Gegenstoß. Vujin fackelte bei drohendem Zeitspiel, Landin bediente Rune Dahmke mit einem weiten Pass: Nach nicht einmal zwölf Minuten nahm SG-Trainer Maik Machulla angesichts des 3:8-Rückstandes die erste Auszeit. Doch auch diese verpuffte, Landin parierte einen Glandorf-Verzweiflungswurf, Ekberg brachte den Konter mit einem Dreher an Mattias Andersson vorbei im SG-Tor unter. Und als Nilsson trocken zum 10:3 (14.) einwarf, waren erstmals die gut 140 mitgereisten schwarz-weißen Fans für Stimmung in der ausverkauften Arena zuständig. Und das blieb auch so, weil der THW weiter kaum Fehler machte, geduldig seine Angriffe ausspielte und die SG hinten zu Fehlern zwang. Und die nutzten die "Zebras" eiskalt aus: Ekberg bediente Wiencek mit einem weiten Einwurf zum 17:10, fünf Minuten vor der Pause schien der THW einer perfekten ersten Halbzeit entgegen zu streben. Allerdings: Mit der Hereinnahme von Kevin Möller für Andersson (17.) und Abschluss-Pech mit Pfostentreffern begünstigten die Aufholjagd der Gastgeber, bei denen der ehemalige Kieler Rasmus Lauge nicht zu stoppen war: Sechs Tore erzielte der Däne vor dem Wechsel und ließ seine Farben wieder hoffen: Mit einem 6:2-Lauf verkürzte Flensburg bis zum Wechsel auf 16:19.

Zebras halten dagegen

Die THW-Abwehr rührte Beton an

Bitter: Nach der Pause konnte Dissinger, der als Anspieler geglänzt und viel Tempo gemacht hatte, nicht mehr mitwirken: Bei einer unglücklichen Landung stauchte er sein Knie und musste draußen bleiben. Für ihn beorderte Gislason seinen Kapitän auf die Platte: Duvnjak übernahm, zudem sollten Miha Zarabec und Weinhold den etwas offensiver ausgerichteten Abwehrriegel der Flensburger knacken. Hinten hatte Andreas Wolff den Stab von Landin übernommen - doch auch er konnte zunächst nicht verhindernd, dass Flensburg sich nach den tollen Einzelleistungen von Weinhold und Duvnjak (21:17), Ekbers Siebenmeter (23:19) wieder herankämpfen konnte. Mit zwei schnellen Treffern brachten Svan und Mahé die Halle zum Kochen, jetzt war das Derby wieder vollkommen offen. Zarabec legte vor, nicht einmal zehn Sekunden später hatte Glandorf unnachahmlich geantwortet. Und das Momentum schien die Seiten zu wechseln: Wiencek bekam einen Abpraller an den Fuß - Ballbesitz für die SG und damit die Chance, auf ein Tor heranzukommen. Doch daraus wurde nichts: Einem Block hechtete Duvnjak hinterher, spielte den Ball im Fallen noch vor der Seitenaus-Linie zu Ekberg weiter, der das 25:22 erzielte. Dann schnappte sich Wolff einen freien Glandorf-Wurf und startete danach mit einem Urschrei die Schluss-Offensive seiner Mannschaft.

THW-Fans feiern

Andi Wolff hielt unter anderem drei Siebenmeter

Ausgerechnet der "Kleinste" sollte überragend für Sicherheit sorgen: Bei seinem 103-km/h-Kracher in den Winkel zum 26:22 (47.) zeigte 1,74-Meter-Mann Miha Zarabec seine Sprung- und Wurfqualitäten, Machulla zog den grünen Karton. Doch Nilsson schraubte das Ergebnis beim 28:23 (50.) auf einen fünf Tore-Vorsprung, wieder nahm Machulla die Auszeit. Mit dem siebten Feldspieler wollten die Flensburger den Kieler Beton und die Wolff-Wand überwinden - doch nahezu ohne Erfolg. Immer hatte der THW die passende Antwort, landeten die präzisen Pässe von Wolff bei seinen Mitspielern, die clever verwandelten. Nach Jeppssons 25:29 überrollten die Zebras die Gastgeber: Nilsson bediente den an den Kreis eingelaufenen Ekberg, wenige Sekunden später spritzte Duvnjak in einen Pass und traf ins leere Tor, Dahmke machte kurzen Prozess, Wolff hielt gegen Mahé, Nilsson bediente Weinhold, Duvnjak krönte sein starkes Derby-Comeback mit seinem Steal-Gegenstoß zum 34:25 (58.). Längst waren in der Halle nur noch die THW-Fans zu hören, einige Heim-Anhänger hatten da längst ihren Heimweg angetreten. Zu dominant spielte der THW, zu klar waren die Verhältnisse.

Donnerstag: Heimspiel gegen Minden

Kurz darauf war es vollbracht: Erstmals seit dem seit dem 7. Dezember 2011 konnte der THW zwei Bundesliga-Punkte auf die Heimreise aus Flensburg nehmen - und auch das gute Gefühl, es endlich einmal geschafft zu haben, auch in der Liga die "Hölle Nord" im Sturm zu erobert zu haben. Ein Gefühl, das bis dato einzig Christian Zeitz aus dem aktuellen Kader kannte. Doch zu lange feiern ist für die "Zebras", die durch den Derbysieg den Rückstand auf Platz drei auf vier Punkte verkürzen konnten, nicht drin: Am kommenden Donnerstag geht es für den THW Kiel weiter: In der DKB Handball-Bundesliga empfangen die "Zebras" den Traditionsclub GWD Minden in der Sparkassen-Arena. Anwurf für das letzte THW-Heimspiel vor Weihnachten ist um 19 Uhr, für die Begegnung gegen den Tabellen-Zehnten gibt es noch Stehplatzkarten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, und im THW-Online-Ticketshop. Weiter geht's, Kiel!

DKB Handball-Bundesliga, Statistik, 16. Spieltag, 08.12.17: SG Flensburg-Handewitt - THW Kiel: 27:35 (16:19)

SG Flensburg-Handewitt: Andersson (1.-17., 1 Parade), Möller (17.-60., 12/1 Paraden); Karlsson, Glandorf (5), Mogensen, Svan (5), Wanne (2), Jeppsson (3/1), Steinhauser, Heinl, Zachariassen (1), H. Toft Hansen, Gottfridsson, Lauge (7), Klein, Mahé (3); Trainer: Machulla

THW Kiel: Landin (1.-27., 3 Paraden), Wolff (27.-60. und 2 Siebenmeter, 10/1 Paraden); Duvnjak (4), R. Toft Hansen (1), Firnhaber, (1) Weinhold (2), Dissinger (1), Wiencek (6), Ekberg (8/3), Zeitz (1), Frend Öfors, Rahmel (n.e.), Dahmke (2), Zarabec (2), Vujin (3), Nilsson (4); Trainer: Gislason

Schiedsrichter: Lars Geipel / Marcus Helbig

Strafzeiten: SG: 1 (H. Toft Hansen (15.)) / THW: 3 (Dahmke (3.), R. Toft Hansen (37.), Wiencek (57.))

Siebenmeter: SG: 4/1 (Mahé gegen Wolff an die Latte (13.), Wolff hält Lauge (18.), Wolff hält Jeppsson (36.)) / THW: 4/3 (Möller hält Ekberg (31.))

Spielfilm: 0:1 (3.), 1:2 (3.), 3:2 (5.), 3:10 (14.), 5:12, 6:13 (17.), 7:14, 9:14 (22.), 10:15, 10:17 (25.), 12:17 (25.), 12:18, 14:18 (27.), 14:19 (29.), 16:19;
17:19 (33.), 17:21 (36.), 19:23 (39.), 21:23 (41.), 22:24, 23:26 (47.), 23:28 (50.), 25:29 (53.), 25:34 (57.), 26:35, 27:35.

Zuschauer: 6.300 (ausverkauft) (Flens-Arena, Flensburg)

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason: Hier mit acht Toren zu gewinnen - ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Aber bald ist ja Weihnachten ... Wir haben gut gespielt und verdient gewonnen, das war eine sehr starke Leistung von uns. Es beflügelt die Jungs, dass Dule und Steffen wieder zurück sind. Das gibt insgesamt mehr Sicherheit. Für Christian Dissinger tut es mir leid. Ich bin kein allzu gläubiger Mensch, aber ich möchte fast sagen, dass ich für ihn bete, dass es nichts Schlimmes ist. Was er erleiden musste, ist unglaublich.

In den KN: "Ich bin extrem stolz auf meine Mannschaft. Es war wichtig, dass wir in der zweiten Halbzeit ruhig geblieben sind, als der Vorsprung auf zwei Tore geschmolzen war. Man hat gesehen, wie wichtig die erfahrenen Spieler für uns sind. Zweimal in elf Tagen ein Derby in Flensburg zu gewinnen, ist sehr schön. Wir haben die Liga wieder offener gestaltet."

SG-Trainer Maik Machulla: Wir haben die ersten 15 Minuten komplett verschlafen und machen es da dem THW sehr, sehr einfach. Dann kämpfen wir uns gut zurück, das Spiel ist zur Pause wieder offen, wir kommen sogar auf zwei Tore heran - und dann wollen wir zuviel, Andi macht den Kasten dicht und wir brechen komplett ein.

In den KN: Ich bin enttäuscht vom Ergebnis und von der Anfangsphase. Wir hatten hier bei uns alles vorbereitet, die Halle war voll da - es ist mir unerklärlich, warum wir dann so schwach spielen und keinen Zugriff auf den THW im Angriff bekommen. Wir wollten am Anfang zu viel, nach dem 4:11 war es dann eine Kopfgeschichte. Am Ende waren wir zu wild, kopflos.

SG-Rückraumspieler Holger Glandorf: Wir machen vorn zu viele Fehler und kommen dann nicht schnell genug zurück. Trotzdem kommen wir wieder auf zwei heran, um dann den THW selbst wieder einzuladen, wegzuziehen. Das tut weh, wir müssen uns jetzt auf die ausstehenden drei wichtigen Spiele konzentrieren.

THW-Torhüter Andreas Wolff: Es macht Spaß, in dieser Atmosphäre zu spielen. Allerdings übertreiben es einige Zuschauer mit ihren Äußerungen, die man in keiner Handball-Halle der Welt hören sollte. Wir haben heute einmal mehr alles gegeben, Kompliment an meine Mitspieler. In der Abwehr haben wir sehr gut verschoben und dieses Mal auch die zweite Welle der Flensburger besser im Griff gehabt. Ein Dank geht auch an Dule, der uns bei seinem "Derby-Comeback" sehr geholfen hat.

THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Ich bin nicht wichtig, die gesamte Mannschaft ist wichtig. Und die hat heute gewonnen, das war eine Riesen-Leistung. Ich bin überglücklich, dass wir dieses Spiel gewonnen haben. An mein Knie habe ich während des Spiels nicht ein Mal gedacht.

SG-Toptorschütze Rasmus Lauge: Der THW war die bessere Mannschaft - auch wenn es mir leid tut, das sagen zu müssen. Unser Rückzugs-Verhalten war eine Katastrophe, so peinlich habe ich das in Flensburg noch nie erlebt. Dass der THW hier zehn bis zwölf Gegenstöße laufen darf, geht einfach nicht.

THW-Linkshänder Steffen Weinhold: In der Abwehr haben wir konsequent gestanden und uns so ein Polster erarbeitet, das uns im Spielverlauf geholfen hat. Heute haben wir zwei Punkte gewonnen, aber wir haben auch schon viele Punkte verloren. Deshalb müssen wir jetzt sechs Punkte aus den kommenden, schwierigen Spielen holen.

In den KN: Jeder hat heute etwas zum Sieg beigetragen. Es war schön, nach der Verletzung wieder dabei zu sein. In der Bundesliga in Flensburg zu gewinnen, das gab es das letzte Mal vor sechs Jahren. Leider haben wir vorher zu viele Punkte liegen lassen. Das sind zwei Bonuspunkte, und wir tun gut daran, die sechs Punkte bis zur Winterpause zu holen und dann in der Rückrunde anzugreifen.

THW-Geschäftsführer Thorsten Storm in den KN: Wir dürfen jetzt nicht zu laut jubeln. Die Mannschaft hat zuletzt viel einstecken müssen, ist noch enger zusammengerückt. Das zeigt, wie stark diese Truppe ist, die heute auf jedes Thema der Flensburger eine Antwort gezeigt hat.

THW-Linkshänder Marko Vujin in den KN: Alfred hat uns in der Kabine gesagt: Wenn wir hier heute gewinnen, können wir in dieser Saison noch um große Erfolge spielen. Wir wollten so auftreten wie vor elf Tagen - und es war sogar noch besser. Ich rechne immer: Es kommen noch so viele Spieltage, alles kann passieren. Jetzt fahren wir wirklich glücklich wieder nach Kiel.