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KN: Schwäbische Wundertüte mit Topspiel-Vorliebe

Bundesliga

KN: Schwäbische Wundertüte mit Topspiel-Vorliebe

Göppingen. Starke Gegner, starke Leistungen - schwache Gegner, schwache Leistungen: Die Saison von Frisch Auf Göppingen unterliegt (wieder einmal) großen Schwankungen. Der kommende Gastgeber des THW Kiel in der Handball-Bundesliga (Donnerstag, 20.45 Uhr, siehe Vorbericht) ist eine echte Wundertüte.

THW-Gastgeber Göppingen mag starke Gegner

Siege gegen die Löwen, Wetzlar und Melsungen und Remis gegen Flensburg und Hannover, Pleiten gegen Gummersbach, Stuttgart und Erlangen sowie Punktverluste gegen Lübbecke und Hüttenberg: Je stärker der Gegner, desto stärker auch Frisch Auf - eine etwas merkwürdige Kohärenz. "Ich weiß wirklich nicht, woran das liegt", sagt Marcel Schiller, Göppinger Linksaußen und mit 100 Treffern Top-Torschütze. "Ich würde auch lieber gegen die Starken etwas schlechter spielen und dafür alle Spiele gegen die Schwächeren gewinnen." An der Einstellung gegen Teams aus unteren Tabellenregionen liege es nicht, sagt der 26-Jährige, eher vielleicht "an der Angst, in solchen Spielen viel verlieren zu können."

Dabei ließ sich das Göppinger Spiel nach dem Trainerwechsel von Magnus Andersson zu Rolf Brack gut an, der "Handball-Professor" brachte frischen Wind zu Frisch Auf. "Wir haben unter ihm zwei Schritte nach vorn gemacht", hatte Rückraumspieler Adrian Pfahl direkt nach dem Hinspiel beim THW Kiel gesagt, das Göppingen nach langem Kampf 23:28 verlor. Zwei Monate später dümpelt der elfmalige deutsche Meister auf Rang elf aber weiter im Bundesliga-Mittelfeld umher. "Wir spielen viel schneller als vorher, das kommt vor allem uns Außen zugute. Wir können aus der Abwehr direkt abgehen", sagt Schiller. "Aber die Ergebnisse fehlen noch. Wir werden erst nach der Wintervorbereitung beurteilen können, wie unsere Entwicklung aussieht."

Auf die Bundesliga-Pause setzen die Göppinger große Hoffnungen. Auch Schiller und Rückraumspieler Tim Kneule werden diese wohl komplett mitmachen - sie wurden von Bundestrainer Christian Prokop zwar in der erweiterten 28er-Kader, jedoch nicht ins 20-köpfige Lehrgangs-Aufgebot berufen. "Im Moment sieht es so aus. Sollte es doch noch was werden mit der EM, wäre ich natürlich überglücklich, solche Turniere sind das Größte für einen Sportler", sagt Schiller, dem Prokop auf Linksaußen Rune Dahmke vom THW Kiel vorzog. Dabei wäre der 26-Jährige vorbereitet gewesen, beschränkte sich in seiner Urlaubsplanung auf Österreich, um im Fall der Fälle in der Nähe zu sein. Für das Länderspieldebüt im Juni gegen die Schweiz hatte er einen geplanten USA-Trip abgesagt, weil er nicht mit einer Berufung gerechnet hatte.

Nun also wohl keine EM, aber das belastet Schiller nicht. "Ich lasse jetzt den Kopf nicht hängen, sondern gebe weiter Gas", erklärt der Fünftplatzierte der aktuellen Torjägerliste der Handball-Bundesliga. "Rune und ich haben uns auf dem Lehrgang im Juni kennen gelernt, wir haben ein gutes, professionelles Verhältnis. Aber ich werde immer versuchen, ihn zu übertrumpfen, das ist doch klar - auch am Donnerstag."

Dass Frisch Auf in der Lage ist, dem THW mehr als nur Paroli zu bieten, zeigte unter anderem die Partie der vergangenen Saison, als die Zebras einen Fünf-Tore-Rückstand gerade noch so umbiegen konnten. Und nicht zuletzt das Spiel am 23. September 2015, als der THW in der "Hölle Süd" eine böse 21:29-Klatsche kassierte. Parallele zu kommendem Donnerstag: Auch vor zwei Jahren hatte Frisch Auf zuvor einen Auswärtssieg gefeiert, ging wie nun nach dem Sieg bei der MT Melsungen mit breiter Brust ins Duell mit dem Rekordmeister. "Wenn wir an das Kämpferische vom Sonntag anknüpfen, haben wir zu Hause auch gegen Kiel immer eine Chance. Wir haben die Löwen hier geschlagen und gegen Flensburg einen Punkt geholt, wir können das", sagt Schiller. "Wie wichtig unsere Fans sind, wenn die Halle brennt, sieht man immer wieder, zum Beispiel auch im EHF-Cup-Final-Four der vergangenen Saison."

Die Wundertüte Göppingen ist unberechenbar. Die letzten Gegner des Jahres sind beinahe prädestiniert für eine weitere Achterbahnfahrt Marke Frisch Auf: Nach dem THW kommt Aufsteiger TV Hüttenberg in die EWS-Arena. "Das ist natürlich ein Kontrast. Aber wir wollen beide Spiele gewinnen", sagt Schiller. "Wir spielen die Partien um Weihnachten herum endlich mal zu Hause." Von den vergangenen zehn Partien am 26. oder 27. Dezember bestritt Göppingen acht auswärts. Beide Spiele ums Fest herum im eigenen Wohnzimmer, das gab es zuletzt 2007. Damals beschenkte sich Frisch Auf mit einem Punkt gegen den amtierenden Vizemeister HSV Hamburg und deren zwei gegen den TBV Lemgo.

(Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 20.12.2017, Foto: saschaklahn.com)