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KN: Derby Nummer 97 endet böse

Bundesliga

KN: Derby Nummer 97 endet böse

Kiel. Herber Dämpfer für den THW Kiel im Saisonfinale der Handball-Bundesliga. Am Donnerstagabend unterliegen die Zebras der SG Flensburg-Handewitt mit 25:29 (10:15, siehe THW-Spielbericht), leisten sich zu viele Fehler und ziehen nach zwei Siegen und einem Remis ausgerechnet im so wichtigen vierten Pflichtspielduell der Saison den Kürzeren.

Der THW Kiel erlebt einen 25:29-Rückschlag

Es ist das 97. Nordderby, zugleich ein Rennen um Europa in voller Fahrt. Die SG strebt in die Champions League, schielt mit einem Auge auf die Meisterschaft. Der THW will in den EHF-Cup, was gleichbedeutend mit der dann 25. Europacupsaison in Serie wäre. Es geht also um alles, und nichtsdestotrotz beginnt der Abend mit einer tollen Geste. 17 Jahre lang hat Mattias Andersson Tore in der Handball-Bundesliga gehütet, davon sieben (2001-2008) bei den Zebras, mit denen der heute 40-Jährige EHF-Cup und Champions League gewann, Meister und Pokalsieger wurde. Grund genug, einen der ganz Großen der Liga (noch einmal) gebührend zu verabschieden.

Und so erweist die Kieler Wand aus Fans dem Schweden vor seinem insgesamt 55. Nordderby mit Standing Ovations die Ehre, schaltet dann prompt in den Derbymodus. Der wird schon in der siebten Minute durch eine Schrecksekunde erschüttert: Rasmus Lauge trifft im Fallen zum 4:1 für die SG, und ausgerechnet der unverzichtbare Patrick Wiencek humpelt verletzt vom Feld. Vier Minuten später ist der Kreis-Koloss wieder da. Mittlerweile spielen Steffen Weinhold und Kapitän Domagoj Duvnjak für Lukas Nilsson und Marko Vujin im Rückraum, der insgesamt wenig Gefahr verbreitet. Christian Dissinger geht weite Wege, beweist Auge für seine Mitspieler, doch die Kieler Zebraherde bringt es bei 13 Fehlwürfen und zehn Treffern zur Pause auf eine miese Quote. Da hilft es bis zum 10:15-Halbzeitstand auch nur bedingt, dass Andreas Wolff mit guten Paraden für emotionale Momente sorgt und Linkshänder Holger Glandorf im SG-Dress komplett den Zahn zieht.

"Wir sind von Anfang an in einem Flow", stellt SG-Coach Maik Machulla später fest. Auf der anderen Seite: harte Arbeit.

Pfosten (Santos/23.), Latte (Vujin/27.), Latte (Duvnjak/29.) - dann kommt zu einem pomadigen Positionsspiel des Rekordmeisters auch noch Pech hinzu. Und wo zunächst bis zum 10:11 (27.) - auch dank einer konsequenten Deckungsarbeit mit Wiencek und Dissinger im Innenblock - noch alles offen ist, der quirlige, aber kleine Miha Zarabec auf Halblinks im Rückraum zwar Geschwindigkeit aufkommen lässt, aber wenig Durchschlagskraft, reichen der SG ein paar Minuten zum temporären Halbzeitglück. Lasse Svan, Magnus Rød und Hampus Wanne lassen die Zebras temporeich irgendwie dumm aus der Wäsche gucken. In jeder Hinsicht: dicke Gewitterluft in der Sparkassen-Arena.

Die verzieht sich nach der Pause kurzfristig. Zweimal Niclas Ekberg und Lukas Nilsson zaubern einen 3:0-Lauf aufs Parkett (13:15/33.), ehe Nikola Bilyk per Tempogegenstoß frei am starken Mattias Andersson scheitert (34.). THW-Trainer Alfred Gislason nennt das einen "Knackpunkt". Der THW bleibt dran, auch dank Rune Dahmke, der nach überstandener Schambeinentzündung sein erstes Spiel seit dem 24. Februar bestreitet und zwei glänzende Tore macht. Der THW stemmt sich gegen die Niederlage, auch dank Patrick Wiencek, der sechsmal trifft und mit zum Teil genialen Zuspielen bedacht wird (Bilyk, Weinhold, Zarabec). Der THW kommt aber nicht mehr näher heran als beim 20:22 (49.). Weil sich die Offensive im Anschluss zerfahren präsentiert, die SG aus allen Lagen trifft, mit Rasmus Lauge in dieser Phase den entscheidenden Mann auf dem Feld weiß, während bei den Zebras auch ein Torwartwechsel von Andreas Wolff zum angeschlagenen (Zeh) Niklas Landin (48. bis 52.) und zurück zu Wolff nicht fruchtet. Flensburg zieht auf 27:20 davon (56.), die Fans aus dem Norden singen "Auswärtssieg!", zelebrieren eine Polonäse, und der THW ist nun noch mehr auf Ausrutscher der Konkurrenz angewiesen, um den EHF-Cup noch zu erreichen.

(Von Tamo Schwarz und Merle Schaak, aus den Kieler Nachrichten vom 11.05.2018, Foto: Sascha Klahn)

Stimmen zum Derby in den Kieler Nachrichten

Alfred Gislason, THW-Trainer, in den Kieler Nachrichten: Der Sieg der SG ist verdient, ich bin nicht sehr zufrieden. Wir standen uns oft selbst im Weg, sind schwer ins Spiel gekommen. Bei so vielen eigenen Fehlern hat man es dann auch nicht verdient, zu gewinnen. Flensburg war heute besser als wir. Wir haben zu viele klare Bälle verschossen.

Maik Machulla, SG-Coach, in den Kieler Nachrichten: Mein erster Derby-Pflichtsieg fühlt sich gut an, aber ich bin in erster Linie stolz auf die Jungs. Die Mannschaft hat nach dem Debakel in Montpellier eine tolle Reaktion gezeigt, alle Spieler haben sich auf beeindruckende Art und Weise füreinander geopfert. Das ist Sport, das kann man nicht erklären.

Patrick Wiencek, THW-Kreisläufer, in den KIeler Nachrichten: Da war von der ersten Minute an Feuer drin. Umso bitterer, dass wir verloren haben. Wir haben zu viele Fehler gemacht, zu viele Bälle weggeworfen, so dass Flensburg die einfachen Tore machen konnte, für die es so bekannt ist. Wir mussten für jedes Tor hart arbeiten und haben uns auch selbst geschlagen.

Rasmus Lauge, SG-Rückraumspieler und Ex-Zebra, in den KIeler Nachrichten: Wir haben heute eine überragende Abwehrleistung gebracht, und Mattias Andersson hat dahinter toll gehalten. Vorne haben wir auch clever gespielt und uns die richtigen Abschlüsse genommen. Wir fahren sehr glücklich nach Hause, aber wir wissen: Nächstes Mal gibt es auf die Fresse.

Thomas Mogensen, SG-Spielmacher, in den Kieler Nachrichten: Ich will zu der Roten Karte eigentlich nicht viel sagen. Das war Frust von beiden Seiten und vielleicht in der dunkelgrauen Zone. In so einem Spiel sind die Emotionen einfach noch ein bisschen größer. Aber keiner will dem anderen wehtun, und jetzt ist alles wieder gut hoffentlich.