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Bärenstark trotz Geisterkulisse: THW deklassiert GWD Minden

Bundesliga

Bärenstark trotz Geisterkulisse: THW deklassiert GWD Minden

Der THW Kiel hat sich am Sonntagnachmittag unbeeindruckt vom ersten Geister-Heimspiel seiner Geschichte an die Spitze der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga geworfen: Mit 41:26 (23:16) deklassierten die Zebras GWD Minden, warfen zum ersten Mal seit dem 21. Februar 2015 wieder mehr als 40 Tore in einem Heimspiel und zeigten sich dabei vor der Länderspiel-Pause in Gala-Form. Beste Torschützen auf Seiten der Kieler in der leeren Wunderino Arena waren Harald Reinkind (8) und Niclas Ekberg (8/4). 

Gespenstische Atmosphäre

Die Botschaft des Abends: "Wir vermissen Euch!"

Gegen GWD Minden verzichtete der THW Kiel darauf, Zuschauer zuzulassen - obwohl dies laut Landesverordnung erst einen Tag nach der LIQUI MOLY HBL-Begegnung Vorschrift gewesen wäre. "Das ist auch ein Signal, dass wir als Gesellschaft in den kommenden vier Wochen alles unternehmen müssen, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen", hatte Viktor Szilagyi die Entscheidung begründet. Die Atmosphäre in der Arena, in der zuletzt mit einem viel gelobten Hygienekonzept bis zu 2400 Zuschauer sicher die Heimspiele des THW Kiel verfolgen konnten, war dementsprechend gespenstisch: Knapp 50 Menschen - Journalisten, TV-Crews, Mitarbeiter, Techniker und Organisationshelfer - verfolgten das Spiel. Vier freiwillige Aufbauhelfer hatten sich zudem Trommeln geschnappt und sorgten immer dann, wenn der THW Kiel im Angriff war, für einen Hauch Heimspiel-Stimmung unter dem leeren Arena-Dach. 

THW bricht früh Mindens Widerstand

War kaum zu stoppen: Harald Reinkind

Unter dem machten die Zebras nach dem Anpfiff schnell klar, in welche Richtung sie diese Partie drehen wollten: Von Beginn an machten sie Druck, gingen vor allem im Angriff extrem konzentriert zu Werke, kämpften leidenschaftlich um jeden Ball und setzten sich über Ekbergs Siebenmeter zum 4:2 (6.) nach Hendrik Pekelers Treffer auf 7:4 ab. Noch einmal flackerte Mindener Kampfeswillen auf, weil der starke Juri Knorr in Unterzahl zum 5:7 traf und kurz darauf Ritterbach auf 6:7 verkürzte. Dann übernahmen wieder die Zebras das Kommando: Rune Dahmke traf zum 8:6, zwei Fehler der Gäste nutzte Ekberg binnen Sekunden zum 10:6 (15.).

Klare Pausenführung

Einmal mehr treffsicher: Niclas Ekberg

Eine kleine Vorentscheidung fiel zwischen der 17. und 20. Minute: Der kaum zu stoppende Harald Reinkind, der allein sechs seiner Treffer im ersten Durchgang erzielte, jagte den Ball zum 12:8 in die Maschen, Dario Quenstedt parierte Christian Zeitz' ersten Wurf, was der überragende Domagoj Duvnjak zum 13:8 nutzte. Reinkind und Patrick Wiencek nach einem der vielen Traum-Anspiele durch Sander Sagosen erhöhte auf 15:8. Das gab Selbstbewusstsein, das Ekberg mit einem Strafwurf-Heber (!) über den 2,08-Meter-Riesen Malte Semisch deutlich demonstrierte. Die Kieler hatten auf jede Mindener Idee eine passende Antwort: Nach Meisters 11:17 traf Oskar Sunnefeldt zehn Sekunden später zum 18:11, nach Knorrs 12:19 bediente Miha Zarabec mit einem feinen Bodenpass Patrick Wiencek zum 20:12. Das 23:16 zur Pause war eine Führung, die auch in dieser Höhe verdient war.

Landin macht kurzen Prozess

Patrick Wiencek und die Zebras machten gegen Minden ordentlich Tempo

Nach dem Wechsel beorderte Filip Jicha Niklas Landin zwischen die Pfosten. Und der dänische Welthandballer machte mit den Angriffsbemühungen der Mindener schnell kurzen Prozess: Erst hielt Landin einen Siebenmeter von Knorr, dann folgten weitere sensationelle Reflexe gegen frei vor ihm auftauchende Grün-Weiße. Die Folge: Nach Duvnjaks starkem Eins-gegen-Eins lagen die Zebras beim 27:17 (36.) erstmals mit zehn Toren in Führung, schraubten das Ergebnis durch einen Doppelschlag von Pekeler auf 29:17. Ein 6:1-Lauf nach Wiederanpfiff, der GWDs letzten Widerstand brach. Jetzt zauberten die Zebras wie bei Duvnjaks Pass auf den an den Kreis eingelaufenen Ekberg, wie bei Duvnjaks 108-km/h-Urgewalt zum 32:18, wie bei "Dules" Dominik-Klein-Gedächtnis-Steal: Von der Bank kommend spritzte der THW-Kapitän in einen Mindener Pass und traf in Überzahl per Heber zum 34:18 ins leere Tor. 

Horak macht ein beinahe historisches Tor

Fünf Treffer: Hendrik Pekeler war kompromisslos

Zu diesem Zeitpunkt hatte Filip Jicha längst rotieren lassen, hatte Calvert für Ekberg, Sunnefeldt für Sagosen gebracht, Horak zeitweise an den Kreis beordert. In der 50. Minute war der Arbeitstag auch für Harald Reinkind beendet: Sven Ehrig feierte nach seinem Muskelfaserriss sein Comeback - nicht auf Außen, sondern auf Halb. Er war es dann, der mit seinem Pass einen beinahe schon historischen Treffer vorbereitete: Ausgerechnet Routinier Horak war es vorbehalten, den 40. Treffer der Kieler zu erzielen. Sein drittes Saison-Tor war auch deshalb so besonders, weil es den Zebras zuletzt am 21. Februar 2015 beim 40:27 gegen die SG BBM Bietigheim gelungen war, in eigener Arena mehr als 40 Treffer in einem Liga-Spiel zu erzielen. Sunnefeldt war es wenig später überlassen, den Endstand zu erzielen - 41:26. Anschließend bedankten sich die Kieler bei den TV-Zuschauern mit lang anhaltendem Applaus - und schauten ein wenig wehmütig auf das große "Wir vermissen euch!"-Plakat, das - eingerahmt von Papp-Fan-Fotos - den ersten Rang überspannte.

Länderspiel-Pause mit anschließendem Spitzenspiel

Im Anschluss an die Partie ging die LIQUI MOLY Handball-Bundesliga in eine Länderspiel-Pause, die morgen mit einem Nationalmannschafts-Lehrgang beginnt und in deren Verlauf das Team von DHB-Trainer Alfred Gislason am 5. November ab 16:30 Uhr zum Auftakt der EHF-EURO-Qualifikation im Düsseldorfer ISS Dome auf Bosnien-Herzegowina treffen soll. Am 8. November spielt Deutschland um 15:30 Uhr dann auswärts gegen Estland - zumindest Stand heute. Beide Partien zeigt das ZDF live. Für die Zebras geht es direkt nach der "Pause" weiter mit einem Spitzenspiel: Am Donnerstag, 12. November, empfangen sie vor Geisterkulisse die Füchse Berlin zur Top-Partie des siebten Spieltags. 

LIQUI MOLY HBL, 6. Spieltag: THW Kiel - GWD Minden: 41:26 (23:16)

THW Kiel: N. Landin (31.-60., 12/2 Paraden), Quenstedt (1.-30., 4 Paraden); Ehrig, Duvnjak (5), Sagosen (2), Reinkind (8), M. Landin (n.e.), Sunnefeldt (3), Wiencek (3), Ekberg (8/4), Dahmke (4), Zarabec, Calvert, Horak (1), Pekeler (7); Trainer: Jicha
GWD Minden: Lichtlein (1.-18., 2 Paraden), Semisch (18.-60., 5/1 Paraden); Meister (4), Ritterbach (5), Richtzenhain (2), Zeitz (1), Rambo (1), Korte (1/1), Padshyvalau (1), Strakeljahn, Knorr (5/2), Pusica, Pehlivan (1), Staar (5), Gulliksen; Trainer: Carstens

Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Zeitstrafen: THW: 0 / GWD: 3 (Pehlivan (12.), Ritterbach (41.), Richtzenhain (44.))
Siebenmeter:  THW: 5/4 (Semisch hält Ekberg (60.)) / GWD: 5/3 (Landin hält Knorr (32.) und Korte (58.))
Spielfilm: 1:0, 2:2 (5.), 4:2, 6:3 (8.), 7:4, 7:6 (13.), 10:6 (15.), 11:8 (17.), 15:8 (20.), 17:11 (24.), 19:11 (25.), 21:13 (27.), 23:16;
25:17 (33.), 29:17 (38.), 30:18 (41.), 34:18 (45.), 36:19, 38:21 (50.), 39:25 (55.), 41:26 (57.).
Zuschauer: keine (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Filip Jicha: Ich möchte meinem Team einen großen Respekt zollen. Wir haben die vergangenen drei Tage nach dem Veszprem-Spiel genutzt, um uns so intensiv wie möglich auf dieses Spiel vorzubereiten - vielleicht habe ich dabei sogar ein bisschen überdreht. Aber wir hatten großen Respekt vor der heutigen Partie, weil Franks Jungs sehr gut drauf waren und wir nicht wussten, wie wir mit diesen seltsamen Umständen umgehen werden. Es war schon ein trauriges Bild, als ich die leere Halle zum ersten Mal gesehen habe. Aber es hat mir imponiert, mit welchem Fokus und welcher Leidenschaft wir agiert und wie wir nur auf uns und unsere Leistung geschaut haben. Solch eine Leistung vor der Nationalmannschafts-Pause freut mich enorm. Ich wünsche jetzt der gesamten HBL, dass wir diese Länderspiel-Woche gut verkraften, und dass wir auch danach weiter unsere Spiele bestreiten können. Bleibten Sie alle gesund!

GWD-Trainer Frank Carstens: Glückwunsch an Filip und den THW Kiel zu dieser Leistung. Dieses Ergebnis lag früh in der Luft. Ich bin enttäuscht, wie wir unsere Trainingswoche und die intensive Vorbereitung auf diese Partie weggeschmissen haben. Wir hatten uns vorgestellt, ein ernsthafterer Gegner für den THW Kiel sein zu können. Aber das war viel zu wenig von uns, es wirkte so, als ob der THW Kiel besser vorbereitet als wir war. Es gab vielleicht zwei Aktionen, in denen wir den THW so stoppen konnten, wie wir es uns vorgenommen hatten. Ansonsten hat der THW entschieden, ob wir ihn stoppen können. 

THW-Toptorschütze Harald Reinkind: Wir hätten gerne mit unseren Fans gespielt, aber der Sieg fühlt sich trotzdem gut an. Wir waren alle traurig, dass heute niemand auf den Rängen sitzen konnte. Aber die Gesundheit geht vor. Trotzdem wollen wir weiter Handball spielen. Unser Plan war heute, alles andere auszublenden und alles aus uns heraus zu holen. Das haben wir auch gemacht. Dass wir zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder mehr als 40 Tore in einem Bundesliga-Heimspiel gemacht haben, fühlt sich gut an.