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KN: Berg- und Talfahrt zum Gipfel

Champions League

KN: Berg- und Talfahrt zum Gipfel

Celje. Die Revanche ist geglückt, aber auch dieses Spiel war nichts für schwache Nerven: Der THW Kiel hat sein Auswärtsspiel in der Handball-Champions-League beim slowenischen Meister RK Celje mit 28:27 (15:14, siehe THW-Spielbericht) gewonnen. Der entscheidende Treffer von Niclas Ekberg fiel erst in den Schlusssekunden - und sorgte für Aufregung.

THW Kiel gewinnt 28:27-Krimi bei RK Celje

Celjes Trainer Branko Tamse tobte durch den Kabinengang, schrie beinahe jedem Entgegenkommenden seine Verwünschungen ins Gesicht. Es dauerte, bis der 39-Jährige seinen Puls wieder unter die 180 geschraubt hatte. Der Grund für den Wutausbruch war das letzte, das entscheidende Tor des THW Kiel zum 28:27: Gut zehn Sekunden vor Schluss hatte Branko Vujovic zum 27:27 ausgeglichen, die Moral und Aufholjagd der Gastgeber scheinbar veredelt. Doch dann kam Ekberg.

Doch von vorn: Während die Halle einen Moment brauchte, um auf Betriebstemperatur zu kommen, war der THW von Beginn an voll da. Die Zebras spielten so, wie sie es sich schon für das Hinspiel vor einer Woche vorgenommen hatten: schnell, zielstrebig, schnörkellos. Zu schnell für die Slowenen, die nicht hinterherkamen, wenn Nikola Bilyk nach schnell ausgeführtem Freiwurf erfolgreich abzog, Patrick Wiencek mustergültig freigespielt wurde oder Linksaußen Rune Dahmke trotz Fehlwurf zum Start im Gegenstoß eiskalt blieb. Nach knapp zehn Minuten führten die Kieler mit 9:4.

Von Celje kam offensiv erst mal wenig und beinahe nur über Branko Vujovic im rechten Rückraum - zu ausrechenbar für eine bewegliche Kieler 6:0-Abwehr. Als der THW in der 12. und 20. Minute jeweils mit fünf Toren führte, war die Arena beinahe still. Doch die Vorsprünge brachten keine endgültige Sicherheit. Im Kieler Spiel häuften sich die Fehler, und plötzlich wurde auch Celje-Keeper Urban Lesjak zum Faktor. THW-Trainer Alfred Gislason brachte den siebten Feldspieler, um die Durchschlagskraft im Angriff wieder zu erhöhen, doch diese Maßnahme wurde zum Bumerang: Ein technischer Fehler und ein Fehlwurf des bis dato guten Marko Vujin bestrafte Celjes David Razgor prompt mit zwei Treffern auf das leere Tor. Statt mit sechs Toren ging der THW nur mit einer knappen 15:14-Führung in die Kabine.

Nach der Pause war Celje deutlich aggressiver, und auch die Halle war jetzt laut und wild. Beim THW dagegen blieb die Fehlerquote hoch, Christian Zeitz - jetzt auch offensiv für Vujin auf der Platte - verwarf zweimal in kurzer Abfolge. Da konnte auch Kiels erneut starker Torhüter Niklas Landin einen Rückstand nicht mehr verhindern. Beim 19:18 (40.) lag Celje erstmals vorn, die Halle tobte.

In der Folge entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, eine echte Berg- und Talfahrt. THW-Coach Gislason wechselte seine Angriffsformationen mehrfach, schien sich für keine so recht entscheiden zu mögen. Der THW ging postwendend wieder in Führung (20:19/42.), aber an ein Absetzen war nun nicht mehr zu denken. Immer wenn die Chance bestand, machten die Kieler Fehler, die Celje nutzte. Andersherum war es genau so. Das Spiel steuerte serpentinenartig auf den Gipfel zu. Nach 58 Minuten führten die Zebras mit 27:25. War es das?

Nein. Bei Vujovics Treffer zum 27:27 schienen sich die Kieler einmal mehr um den Lohn ihrer Arbeit gebracht zu haben. Celje jubelte, die Halle explodierte beinah - dann: schnelle Mitte, ein Pass, ein Wurf des durchgestarteten Ekberg - Tor. Schon während die letzten Sekunden heruntertickten, den Zebras nach dem 28:27-Sieg mehr ein Felsen denn ein Stein vom Herzen gefallen war, stürmten wütende Celje-Spieler und -Verantwortliche auf die Schiedsrichter zu. Sie reklamierten, Ekberg sei beim Anwurf zu früh in der gegnerischen Hälfte gewesen. "Ich glaube, es war nicht zu früh. Ich bin beim Pfiff losgelaufen und voll nach vorn gesprintet", sagte der Schwede nach der Partie. "Ich bin froh, dass ich das Tor gemacht habe." Celjes Kreisläufer Igor Anic hatte eine andere Vermutung: "Ich glaube, er war schon drüber", meinte das Ex-Zebra. "Aber auch wenn es die letzte Szene war, war sie nicht entscheidend. Wir müssen früher einiges besser machen, um einen Punkt zu holen."

(Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 20.11.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)