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Ein Kampf auf Biegen und Brechen

Champions League

Ein Kampf auf Biegen und Brechen

Ein Tollhaus, zwei Abwehrreihen mit einem Kampf auf Biegen und Brechen: Nach 60 unglaublich intensiven Minuten fehlten den "Zebras" am Ende ein wenig Glück. So trennten sich der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt nach einem wahren Nordderby-Krimi vor 10.285 lautstarken Fans 20:20 (9:7) unentschieden. Ãœberragender Akteur dieses hart umkämpften Klassikers in der VELUX EHF Champions League war THW-Kapitän Niklas Landin: Der dänische Olympiassieger entschärfte 18 Flensburger Würfe, während Marko Vujin mit 5/1 Treffern erfolgreichster Werfer in Schwarz-Weiß war.

Elf torlose Minuten

Niklas Landin machte eine überragende Partie

Eintauchen ins Derby: Die Atmosphäre in der ausverkauften Sparkassen-Arena war schon vor dem Anpfiff überragend, die "weiße Wand" hatte sich einiges vorgenommen - und trug mit ihrer Unterstützung bei zu einem packenden Derby-Abend. Der begann rasant, aber auch mit Fehlern auf beiden Seiten. Nach Lukas Nilssons 2:2 (4.) sollte es satte elf Minuten dauern, bis die Kieler Fans wieder jubeln konnten. Dazwischen lagen reihenweise zum Teil spektakuläre Paraden von Niklas Landin, einige Ausrufezeichen seines Gegenübers Mattias Andersson, Fehlwürfe beider Mannschaften und ein Kampf um jeden Zentimeter Boden, um jeden Abpraller, um jeden Ball. Aber auch einige kleinliche Pfiffe des Unparteiischen-Gespanns, die auf beiden Seiten nicht unbedingt für Spielfluss sorgten. Als Rune Dahmke nach 15:09 Minuten das 3:2 gelang, schien dieses Tor wie eine Erlsöung für die Zuschauer zu sein, die bis dato nur Landin mit seinen krakenartigen Armen und dem schnellen Spagat vor Begeisterung aus dem Sitz gerissen hatte. 

Knappe Pausenführung

Fünf Derby-Treffer: Marko Vujin

Das sollte sich ändern, denn nun bekamen die "Zebras" Oberwasser: Landin hielt gegen Jeppsson, Marko Vujin traf. Landin hielt gegen Svan, Weinhold holte einen Siebenmeter heraus, den Niclas Ekberg sicher zum 5:2 verwandelte. Flensburgs Coach Maik Machulla reagierte mit dem grünen Karton, während die "weiße Wand" erstmals komplett stand. Mehr als eine Viertelstunde lang kassierte die Kieler Abwehr mit Betonmischer Landin kein Gegentor, und auch nach Jeppssons 3:5 hatte der THW die Nase vorn. Ekberg, Weinhold und Vujin erhöhten auf 8:3 (25.). Nach Glandorfs schneller Mitte zum Anschluss wurde es dann ärgerlich: Vorne wurde Rene Toft Hansen ein reguläres Tor aberkannt, hinten kassierte der zurücksteckende Däne eine Zwei-Minuten-Strafe und einen Siebenmeter. So kam die SG zurück in die Partie, in Überzahl verkürzten Mahe, der den Strafwurf verwandelte, und Wanne nach einem THW-Abspielfehler mit einem Wurf ins leere Tor auf 6:8 (27.) - die Begegnung war wieder offen, auch wenn Vujin noch in Unterzahl nach feinem Alleingang auf 9:6 erhöhte. Doch Wanne verkürzte noch vor dem Pausenpfiff, während die Zebras es mehrfach verpassten, nachzulegen. Mit dem 7:9 nach 30 Minuten war Flensburg gut bedient - auf Kieler Seite haderte man mit der Chancenverwertung in dieser wahren Abwehrschlacht.

Kiel kann SG nicht abschütteln

Voller Einsatz: Patrick Wiencek und die Zebras gaben keinen Ball verloren

Der Neustart geriet aus Kieler Sicht ärgerlich: Zunächst traf Mogensen bei angedrohtem Zeitspiel, dann kassierte Rene Toft Hansen seine zweite Zeitstrafe. In Überzahl war es Lauge, der mit seinem einzigen Treffer den ersten Ausgleich für die SG nach dem 2:2 erzielte. Anders als im ersten Durchgang ging es weiter Schlag auf Schlag: Henrik Toft Hansen brachte seine Farben mit einem Gegenstoß zum 11:10 in Führung, Dahmke konterte mit viel Willen bei angedrohtem Zeitspiel, Christian Dissinger besorgte mit viel Wucht und Anlauf das 12:11, legte kurz darauf mit ein bisschen Dusel das 13:11 nach. Und auch Flensburg machte Fehler: Glandorfs Pass landete inmitten der Zuschauer, Vujin bedankte sich mit dem 14:11. Doch abschütteln konnten die Zebras die Gäste trotzdem nicht. Vor allem, weil Svan seine Landin-Allergie ablegte, seinen Landsmann mit frechen Hebern narrte. Der verhinderte gegen den frei vor ihm auftauchenden Glandorf mit einem unfassbaren Reflex den SG-Anschluss, vorne hechtete Weinhold nach einem Ballverlust in den Pass. Dieses intensive Spiel - es sollte noch intensiver werden.

Am Ende fehlt ein wenig das Glück

Schenkten sich nichts: Rene und Henrik Toft Hansen

Nilsson jagte den Ball mit 107 km/h zum 18:16 ins Netz, Mogensen konterte mit einem Schlagwurf. Der THW verpasste einen höheren Vorsprung, als sich die Zebras nach einem Zeitz-Steal im Gegenstoß verhedderten. Vorentscheidend sollte dann eine Szene in der 57. Minute werden: Glandorf traf Landin im Gesicht, doch weil er zuvor gestoßen haben sollte, wurde Zeitz für zwei Minuten auf die Bank geschickt. Zudem gab es einen Siebenmeter, den Mahe zum 18:19 verwandelte. Ein Missverständnis zwischen Nilsson und Dahmke, der in Unterzahl seine Außenposition zum "Rücktausch" mit Landin bereits verlassen hatte, läutete den Ausgleich durch Svan ein. Zwei Minuten waren da noch zu spielen - und jetzt sorgte Nilsson mit einem tollen Pass auf Dahmke für die erneute Kieler Führung. Ärgerlich, dass Mahe 33 Sekunden vor dem Ende eine Lücke im Kieler Deckungsverbund fand. 20:20 - und noch genug Zeit für den THW, doch noch den Siegtreffer zu erzielen. Doch daraus wurde nichts: Der freigespielte Ekberg wurde durch den im Kreis stehenden Mahe am Wurf gehindert, versuchte noch ein Kempa-Anspiel auf Lukas Nilsson. Doch dieses kam nicht an, und der eigentlich fällige Siebenmeterpfiff blieb ebenfalls aus. So endete das 94. Derby zum ersten Mal seit dem Champions-League-Final-Hinspiel am 22. April 2007 wieder mit einem Remis, das den THW Kiel in der Tabelle immerhin um einen Rang nach oben klettern ließ.  

Mittwoch K.o.-Spiel in Hannover

Noch zweimal müssen die "Zebras" vor der Länderspiel-Pause schwere Auswärtsaufgaben bestehen: Mittwoch geht es in die TUI-Arena zum K.o.-Spiel im Achtelfinale des DHB-Pokals. Die TSV Hannover-Burgdorf, die unlängst in Kiel gewann und zuletzt zu Hause den Füchsen Berlin (33:27) ihre erste Liga-Niederlage beibrachte, empfängt den Titelverteidiger zum "alles oder nichts"-Duell. THW-Fans, die ihre Mannschaft in der niedersächsischen Landeshauptstadt unterstützen möchten, können sich im Onlineshop der Recken noch Tickets sichern. Das Spiel wird ab 18:30 Uhr live im Free-TV bei Sky Sport News HD gezeigt. Auch die Auswärtspartie in der Bundeshaupstadt Berlin wird im frei empfangbaren Fernsehen übertragen: Der RBB zeigt das Duell der Zebras bei den Füchsen Berlin (Samstag, ab 14:05 Uhr) live. Für diese Begegnung gibt es auch hier noch Karten für kurzentschlossene schwarz-weiße Fans. Weiter geht's, Kiel!

VELUX EHF Champions League, Statistik, 5. Spieltag, 15.10.17: THW Kiel - SG Flensburg-Handewitt: 20:20 (9:7)

THW Kiel: Landin (1.-60., 18 Paraden), Wolff (2 Siebenmeter, 0 Paraden); Firnhaber (n.e.), R. Toft Hansen, Weinhold (2), Dissinger (3), Wiencek, Ekberg (3/2), Zeitz (1), Frend Öfors (n.e.), Rahmel (n.e.), Dahmke (3), Zarabec, Vujin (5/1), Bilyk, Nilsson (3); Trainer: Gislason

SG Flensburg-Handewitt: Andersson (1.-60., 10 Paraden), Lind (n.e.); Karlsson, Glandorf (3), Mogensen (2), Svan (4), Wanne (3), Jeppsson (1), Steinhauser, Heinl, Zachariassen, H. Toft Hansen (1), Lauge (1), Mahé (4/3), Röd (1); Trainer: Machulla

Schiedsrichter: Andreu Marin / Ignacio Garcia Serradilla (ESP)

Strafzeiten: THW: 4 (2x R. Toft Hansen (26., 32.), Dahmke (42.), Zeitz (57.)) / SG: 3 (Svan (5.), H. Toft Hansen (28.), Mogensen (40.))

Siebenmeter: THW: 3/3 / SG: 3/3

Spielfilm: 1:0, 1:2 (4.), 2:2 (5.), 3:2 (16.), 5:2, 5:3 (20.), 8:3 (25.), 8:6 (27.), 9:7 (28.);
9:9 (33.), 10:9, 10:11 (36.), 14:11 (41.), 14:13 (45.), 16:15 (50.), 18:16 (53.), 19:17 (57.), 19:19 (58.), 20:19 (59.), 20:20.

Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason: Ich bin enttäuscht, dass wir nicht beide Punkte geholt haben. Meine Mannschaft hätte zwei Punkte verdient gehabt. Beide Teams haben im Angriff einen sehr nervösen Eindruck gemacht. Insgesamt war unsere 9:7-Führung zur Pause zu wenig, wenn man allein nur die überragende Vorstellung von Niklas Landin betrachtet. Aber wir haben zu viele Fehler gemacht, um ein besseres Ergebnis mit in die Pause zu nehmen. In der zweiten Halbzeit haben wir dann so gut wie immer geführt und hatten die Chance auf einen Sieg. Nach dem Betrachten der TV-Bilder war die letzte Szene ein klarer Siebenmeter für uns.

SG-Trainer Maik Machulla: Ich habe mir die letzte Szene drei-, viermal im TV angesehen. Mahé steht im Kreis und hat Kontakt, über einen Siebenmeter hätten wir uns nicht beschweren können. So haben wir einen Punkt in Kiel geholt, aber wir hätten auch mehr verdient gehabt. In der ersten Halbzeit habe ich eine fantastische Abwehr im Zusammenspiel mit dem Torwart gesehen. Im Angriff haben wir uns dafür nicht belohnt, auch weil Landin überragend gehalten hat. Nach 15 Minuten steht es 2:2 - das ist kein Ergebnis im modernen Handball. Wir haben uns dann reingekämpft und sind mit einem glücklichen 7:9 in die Pause gegangen. Dadurch war die Partie offen, und wir holen noch einen Punkt. Ich bin mit unserer Chancenverwertung nicht zufrieden, sehr wohl aber mit der Moral meiner Mannschaft.

SG-Kreisläufer Jacob Heinl: Es war ein überragendes Spiel beider Abwehrreihen, wir hatten Probleme im Abschluss und mit Niklas Landin. Trotzdem gehen wir nur mit einem Zwei-Tore-Rückstand in die Pause und holen am Ende noch einen Punkt in Kiel. Ich bin zufrieden.

THW-Linkshänder Marko Vujin: Wir haben einige schwere Spiele hinter uns, heute haben wir einen Punkt verloren. Deshalb waren eben alle in der Kabine etwas traurig. Wir haben viele technische Fehler gemacht und viele Bälle weggeworfen, aber trotzdem lange geführt. Wir müssen auch in einem solchen Spiel mehr als 20 Tore machen. Trotzdem können wir viele positive Dinge mit in die nächsten Spiele nehmen. Wir sind auf einem guten Weg - und müssen uns jetzt auf die kommenden zwei schweren Spiele konzentrieren.