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KN: Lebenszeichen am Balaton

Champions League

KN: Lebenszeichen am Balaton

Veszprém. Über weite Strecken überzeugt, phasenweise begeistert, gekämpft wie die Löwen, am Ende mit leeren Händen auf dem Heimweg: Der THW Kiel hat in der Handball-Champions-League nach dem souveränen Auftritt in der Bundesliga in Erlangen das nächste Lebenszeichen an die Konkurrenz ausgesandt. Beim 24:26 (15:12, siehe auch Spielbericht auf der Homepage) beim ungarischen Meister Telekom Veszprém brachten sich die Zebras am Ende doch wieder einmal selbst um Zählbares.

Wer soll das Vakuum bei den Zebras füllen?

Trist und grau liegen Schwaden über dem Balaton. Ein perfektes Setting für einen Handballnachmittag noir. Doch dann geht es in der Veszprém Arena mit ihren 5000 frenetischen Fans ganz anders los. Der rote Ultra-Block sorgt von Beginn an für Hexenkessel-Atmosphäre. Auf dem Feld drehen die Kieler ihren eigenen Actionfilm mit schnellen Schnitten. Oder ist das gar der falsche Film? Der THW tritt auf wie ausgewechselt, und das nicht nur, weil Lukas Nilsson, Emil Frend Öfors und Andreas Wolff (für den an der Ferse verletzten Niklas Landin) das Vertrauen ihres Trainers Alfred Gislason genießen. Der umstrittene Keeper spielt sich schnell in einen Rausch, entschärft zweimal Andreas Nilsson (7./9.), zweimal Mate Lekai (9.), Cristian Ugalde (14.), schreibt so jede Menge Selbstvertrauen von ganz hinten ins Drehbuch.

Selbstvertrauen, das Wolffs Vorderleute gegen das ungarische Top-Team, das ohne den formschwachen William Accambray antritt, anstachelt. Steffen Weinhold zum Beispiel, bester Akteur auf dem Feld, der mit Schlagwürfen, permanentem Druck auf die gegnerische Deckung und überragenden Eins-gegen-Eins-Aktionen glänzt. Miha Zarabec wählt oft den richtigen Weg, die Kurve von Lukas Nilsson und Nikola Bilyk zeigt auch steil nach oben. Das Umschaltspiel funktioniert, die Deckung mit Patrick Wiencek und Christian Dissinger innen steht. Wären da nicht diese "schwarzen Minuten" (Zarabec). Minuten zwischen dem 10:6 (16.) und 10:10 (24.), als die Partie zum ersten Mal zu kippen droht, Ugaldes Störmanöver Zarabec aus der Ruhe bringen (20.), Nilsson (18.) und Marko Vujin (19.) ungestüm in den Gegner gehen und Stürmerfouls kassieren, Bilyk schlicht am Tor vorbei wirft (22.). Dieses Spiel ist ein defensiver Mega-Fight, der nicht nur Wienceks Arbeitskleidung gegen das Abwehrbollwerk mit Laszlo Nagy und Timuzsin Schuch auf eine harte Probe stellt.

Zur Pause führen energische Kieler mit 15:12, beweisen mit jeder Aktion: Das Ende dieses Films ist völlig offen. "Wir können wirklich viele positive Dinge aus diesem Spiel mitnehmen, nur keine zwei Punkte", sagt Alfred Gislason. Die negativen entscheiden. Schwarze Schwaden nach der Pause bis zum 15:15 (33.). Taktik-Tüftler Ljubomir Vranjes hat an den richtigen Telekom-Schrauben gedreht, stellt seine Abwehr mit nun Blaz Blagotinsek an der Seite von Chef Nagy noch aggressiver, beweglicher, giftiger. Zwar bindet Zarabec die Abwehrspieler, schafft Räume. Einzig, seine Mitspieler nutzen sie nicht. Der Druck aus dem (linken) Rückraum ist verpufft, die Außen treffen nicht, immer mehr Würfe enden bei Roland Mikler. Weil Niklas Landin an Wolffs Leistung anknüpft, bleibt es eng. Obwohl Rune Dahmkes weiter Querpass in Richtung Ekberg auf der Tribüne landet (37.) und auch sonst so manches Missgeschick passiert, die Schiedsrichter zudem ihre Linie verlassen. Und den THW Kiel das nötige Glück: Steffen Weinhold wird gefoult, doch der Pfiff bleibt aus (58.), Nagys Ball landet abgefälscht zum 25:23 im Netz (58.), auf der Gegenseite wirft Ekberg per Siebenmeter am Tor vorbei (59.). Das war's - Abspann!

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 09.10.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)