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KN: Am Ende fehlt nur ein Tor

Champions League

KN: Am Ende fehlt nur ein Tor

Skopje. Gewonnen – und doch gescheitert. Der THW Kiel hat im Viertelfinal-Rückspiel der Handball-Champions-League nach aufopferungsvollem Kampf beim Titelverteidiger Vardar Skopje mit 28:27 (13:13, siehe Spielbericht) gewonnen und ist nach dem 28:29 aus dem Hinspiel aufgrund der weniger geworfenen Auswärtstore dennoch ausgeschieden. Am Ende eines turbulenten, vom tschechischen Schiedsrichtergespann negativ beeinflussten Nachmittags fehlt den Zebras nur ein einziges Tor zum Einzug ins Final Four in Köln.

Der THW Kiel scheidet im Viertelfinale aus

Die Arena in Skopje, die nach dem Revolutionär Jane Sandanski benannt ist, hebt den Begriff "Hexenkessel" in der Handball-Champions-League in andere Sphären. Von Sekunde eins an dröhnt es aus der Fankurve wie im Westfalenstadion, und es ist irgendwie kein Wunder, dass Vardar in der Königsklasse seit der Pleite gegen die Rhein-Neckar Löwen im November 2016 kein Spiel mehr in seinem Tempel verloren hat. Allein die Kieler lassen sich von der Kulisse nicht beeindrucken, gehen mit 3:0 in Führung, nervenstark durch Linksaußen Emil Frend Öfors (5.). Dann gerät besonders das gebundene Positionsspiel der Zebras ins Stocken, Vardar mit seiner aggressiven 5:1-Deckung mit dem Ex-Kieler Joan Cañellas an der Spitze dreht den Spieß bis zum 8:5 um (13.) - der erste Rückschlag für die Gäste. Die kämpfen sich "bravourös" (THW-Sportchef Viktor Szilagyi) zurück. Ein Muster dieser Begegnung.

Sebastian Firnhaber fängt in der Deckung neben Patrick Wiencek an, Niklas Landin im Tor setzt frühe Ausrufezeichen. Doch im Angriff wackelt Marko Vujin früh mit zwei Fehlversuchen und einem Abspielfehler. Manchmal muss es eben mit individueller Klasse gehen, zum Beispiel der von Regisseur Miha Zarabec. Der Slowene setzt sich im Eins-Gegen-Eins durch (8:10/17.), trifft per Schlagwurf (9:10/19.), ehe Ole Rahmel mit einem Traumschlenzer gegen Arpad Sterbik ausgleicht (10:10/21.). Die Halle dröhnt, alles wogt hin und her. Der eingewechselte Andreas Wolff pariert einen Siebenmeter gegen Ivan Cupic (30.), und beim 13:13 zur Pause ist alles offen.

"Ein bisschen fehlte uns die Coolness", sagt THW-Rechtsaußen Niclas Ekberg später. Wolff ist gegen den starken Vuko Borozan zu früh auf dem Hosenboden, muss wieder Niklas Landin weichen (36.). Duvnjak braucht Ruhepausen, Gislason stellt wieder von einer 3:2:1- auf eine 6:0-Abwehrformation um. Und seine Spieler kämpfen sich immer wieder zurück. Nach dem 15:18 (36.) ebenso wie nach dem 17:21 (42.). Mittlerweile spielt Rechtsaußen Niclas Ekberg auf Halbrechts, sieht Patrick Wiencek bei einem glänzenden Assist (18:21/43.). Am Kieler Kreis-Kolloss wird gerissen, gezerrt, meist weit abseits des Regelwerkes. Doch während das tschechische Gespann die Aktionen gegen Vardar-Kreisläufer Rogerio Ferreira immer wieder mit einem Siebenmeter gegen den THW ahndet, bleibt die Pfeife auf der gegenüber liegenden Seite ebenso stumm wie bei einer Rettungstat von Timur Dibirov, der den Ball aus dem Kreis angelt, allerdings klar und deutlich in selbigem steht, bevor der Ball seine Hand verlassen hat (45.).

Zu selten sind die Kieler Tore leichte, zu oft müssen sich die Zebras gegen eine Wand aus Vardar mit den Riesen Dainis Kristopans und Ilija Abutovic, den frenetischen Fans und ihrem eigenen Frust ob zweifelhafter Schiedsrichter-Entscheidungen stemmen. Doch auch beim 27:25 (57.) nach erneuten Fehlpässen (Nilsson) und -würfen (Rahmel) ist die Hoffnung noch immer nicht aufgebraucht. Wiencek und Christian Dissinger machen jetzt im Innenblock dicht, Landin pariert gegen Luka Cindric, Wiencek trifft zum 26:27. Nur noch 50 Sekunden zu spielen. Bilyk, Ekberg sorgen für die Führung, noch 20 Sekunden, doch Skopje spielt die Uhr runter. Die Kabinentür bekommt den Zorn von Alfred Gislason zu spüren. Andreas Wolff sitzt noch lange nach Abpfiff fassungslos mit leerem Blick in der Kabine. Wann werden die Zebras in die Champions League zurückkehren?

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 30.04.2018, Foto: Sascha Klahn)

Stimmen zum Spiel - aus den Kieler Nachrichten:

Alfred Gislason, THW-Trainer, in den KN: Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Sie hat in beiden Spielen sehr gut gespielt. Und keine Mannschaft hat in dieser Saison die 5:1-Deckung von Skopje so auseinandergenommen wie wir. Aufgrund der Leistung der Schiedsrichter bin ich schon sehr sauer. Wie Patrick Wiencek immer in den Kreis hineingezogen wurde und keinen Siebenmeter bekommen hat ...

Vardar-Trainer Raul Gonzales in den KN: Es war ein hartes Spiel, wir standen sehr unter Druck, haben am Anfang besonders gegen Niklas Landin im Kieler Tor geschwächelt. In der zweiten Halbzeit standen wir etwas besser in der Abwehr. Wir spielen eine gute Saison, haben die Seha-Liga gewonnen. Darum glaube ich auch, dass wir den Einzug ins Final Four in Köln verdient haben.

Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilagyi in den KN: Wenn man die Abwehr gegen den Kreisläufer auf beiden Seiten betrachtet, wurden wir klar benachteiligt. Wahnsinn, was die alles mit Patrick Wiencek machen durften. Das Ausscheiden ist eine Riesen-Enttäuschung. In den 120 Minuten war alles drin, was Handball ausmacht. Und am Ende geht es nur um die Auswärtstore. Die Jungs können stolz sein.

THW-Kapitän Domagoj Duvnjak in den KN: Ich bin richtig traurig und möchte meine Mannschaft unbedingt beglückwünschen. Sie hat alles gegeben bis zur letzten Sekunde. Leider war das am Ende nicht genug. Zwei, drei technische Fehler und zwei, drei schlechte Abwehraktionen, ganz bestimmt auch die Schiedsrichter - so wird es schwer in einer solchen Atmosphäre wie in Skopje.

THW-Regisseur Miha Zarabec in den KN: Das ist echt schade. Dass wir in Kiel verloren haben, war im Nachhinein schon die Entscheidung. Aber wir haben richtig gut gekämpft, alles gezeigt, was wir haben. Die Leistung der Schiedsrichter möchte ich nicht kommentieren. So richtig ist das noch nicht bei mir angekommen, aber ich hoffe, dass wir irgendwie noch in die Champions League kommen.