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KN: Was ist los mit den Sad Boys?

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KN: Was ist los mit den Sad Boys?

Zagreb/Varaždin. Die Führungsspitze reagiert dünnhäutig, die Spieler sind verunsichert, das System greift noch nicht. Die Holper-Stolper-Vorrunde der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-Europameisterschaft in Kroatien hat den Titeltraum erschüttert. Bad Boys - oder doch eher Sad Boys? Ausgerechnet am Tag nach dem 25:25 gegen Mazedonien und vor dem Hauptrundenauftakt heute Abend (18.15 Uhr/ZDF und im Handballbahnhof) gegen Tschechien, nahmen sich Bundestrainer Christian Prokop und Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, die Spieler vor.

Verunsicherung beim DHB-Team

"Steffen Fäth hat noch nicht abgerufen, was er kann. Julius Kühn kann mehr. Philipp Weber auch. Wir müssen jetzt liefern, Tschechien schlagen. Das ist die Aufgabe der Mannschaft. Die Wahrheit liegt in den 60 Minuten", sagte Hanning am Donnerstagvormittag vor der Abreise des DHB-Teams zum Hauptrundenspielort Varaždin. Im Angriff des deutschen Teams, eigentlich das Prunkstück, herrscht Verunsicherung. Spieler wie Steffen Fäth (Berlin), Julius Kühn (Melsungen) oder Kai Häfner (Hannover), die in ihren Vereinen alle eine glänzende Saison spielen, stehen zuweilen neben sich. Das gilt auch für die Leipziger Philipp Weber und Max Janke. In dieser Phase erhöht der DHB nun den Druck. "Keine Alibis mehr!", so Hanning. Und auch bei den Spielern fällt der diplomatische Vorhang. Kiels Torhüter Andreas Wolff zeterte am Mittwochabend öffentlich über den verpassten Gruppensieg. THW-Kollege Patrick Wiencek geizte nicht mit Selbstkritik: "Wir müssen uns alle hinterfragen, an uns arbeiten."

Es brodelt also weiter, und Christian Prokop sieht dabei nicht nur die Spieler ("Da muss im Angriff mehr kommen, ich war nur mit Steffen Weinhold und Patrick Groetzki zufrieden"), sondern auch die Medien in der Verantwortung. "Die Verunsicherung ist spürbar. Und wenn zehnmal darüber berichtet wird, wird sie auch noch größer." Man brauche, so der Bundestrainer weiter, Erfolgserlebnisse. Dass Deutschland mit einem beeindruckenden 32:19 gegen Montenegro ins Turnier gestartet war? Längst Schnee von gestern. Während Hanning seinem Trainer den Rücken stärkte ("Ich bin ja nicht sein Verteidigungsminister, aber er versucht, zu korrigieren, zu helfen und der Truppe Stabilität zu geben"), richteten die Spieler den Blick auf Underdog Tschechien und sich selbst. "Wir müssen die Stärke der einzelnen Spieler besser in Position bekommen", sagte Steffen Weinhold, gegen Mazedonien mit sieben Treffern erfolgreichster Schütze. Vor zwei Jahren hatte der 31-Jährige die deutsche Mannschaft bis zu seiner Verletzung ruhig und besonnen durchs Turnier geführt. Am Mittwoch deutete Weinhold an, dass er das Führungsvakuum im Team füllen könnte. "Wenn Steffen das Wort ergreift, was er selten tut, dann findet er Gehör", so Prokop. "Jeder" so der Linkshänder vom THW Kiel, "kann in jedem Spiel der X-Faktor sein. Aber jeder muss auch dran glauben, dass genau er das sein kann." Der Druck vor dem wichtigen Spiel heute Abend gegen Tschechien wird größer.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 19.01.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)