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KN: Souverän, aber ohne Lockerheit

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KN: Souverän, aber ohne Lockerheit

Kiel. Eine gelungene Pflichtaufgabe katapultiert den THW Kiel auf Platz zwei in der Handball-Bundesliga. Die Zebras rollen das Feld weiter von hinten auf, besiegten am Donnerstagabend Tabellenschlusslicht HSG Nordhorn-Lingen mit 31:23 (14:13). Niclas Ekberg, der nur bei Siebenmetern in Erscheinung trat, und Lukas Nilsson waren mit jeweils sieben Toren erfolgreichste Kieler Schützen.

THW Kiel setzt sich mit 31:23 gegen HSG Nordhorn-Lingen durch

Zehn Tage, vier Spiele, zweimal nur rund 45 Stunden Verschnaufpause zwischen zwei Partien - das Heimspiel gegen Nordhorn und die Partien in Skopje, Wetzlar und Montpellier umreißen einen Mega-Marathon der Zebras. Am Donnerstag: Startschuss in der Sparkassen-Arena. Um im Bild zu bleiben: Der THW geht das erste Viertel der Strecke langsam an.

Mit der HSG Nordhorn-Lingen gastiert das Tabellenschlusslicht an der Förde. Dennoch herrscht nach zehn Jahren Oberhausabstinenz der Grafschafter Wiedersehensfreude. Die Niedersachsen sind gekommen, um zu ärgern. Und das tun sie dann auch. Nach einer Schweigeminute für den verstorbenen Ex-Nationalspieler Jens Tiedtke (und die Opfer in Halle an der Saale) geht die HSG dank einiger guter Paraden von Bart Ravensbergen im Tor der Gäste mit 4:2 in Führung (5.). Harald Reinkind vorbei (5.), Reinkind scheitert an Ravensbergen (9.), Fehlpass Miha Zarbec (15.) - die Abschluss- und Fehlerquote des Rekordmeisters bleibt roter Faden der THW-Auftritte im Oktober.

In der 16. Minute hält Dario Quenstedt gegen Nordhorns Goalgetter Robert Weber seinen ersten Ball. Harald Reinkind - weiter Alleinunterhalter auf Halbrechts - bekommt eine Verschnauf- und Denkpause. THW-Trainer Filip Jicha sieht dem Norweger seine Fehlwürfe nach, hat vor dem Spiel gesagt: "Wir wissen, was wir an Harald haben, das kostet momentan viel Kraft. Aber er hat noch viel vor mit uns." Recht hat der Tscheche - doch dazu später mehr.

Der THW verteidigt offensiv, zunächst mit offensiven Halben, später in einer 3:2:1-Formation mit Hendrik Pekeler an der Spitze. Domagoj Duvnjak, Niklas Landin, Magnus Landin bleiben draußen. Rotation ist das Mittel der Wahl in Marathonzeiten wie diesen. Aber Nordhorn spielt eben auch noch mit, leistet sich kaum technische Fehler, verschleppt das Spiel und hebelt die Kieler Defensive immer wieder nach allen Regeln der Kunst aus - so wie in der 25. Minute, als Pavel Mickel einen weiten Weg von außen in die Mitte geht und par excellence Julian Possehl am Kreis findet (11:11). Ein Augenschmaus ist diese erste Halbzeit nicht. Nach 30 Minuten steht es 14:13. "Wir wollten Tempo machen, Nordhorn nicht. Wir waren da, wo sie uns haben wollten, weil wir nicht konzentriert waren", lautet später Niclas Ekbergs Fazit.

"Nach der Pause konnten wir unsere Abwehr stabilisieren, so hatte ich es mir für die gesamten 60 Minuten vorgestellt", resümiert Filip Jicha später. So langsam nehmen seine "Marathonis" Fahrt auf. Zwar sieht eine exzellente Abstimmung von Torwart und Abwehr noch immer anders aus als in der 34. Minute beim Nordhorner 15:16-Anschlusstreffer durch Georg Pöhle. Doch in der Folgezeit minimiert der THW seine Konzentrationsschwächen, kommt ins Tempo, bestraft Nordhorner Nachlässigkeiten. Und dann ist da ja auch noch Harald Reinkind, der noch so viel vorhat mit dem THW. Reinkind trifft in der zweiten Welle, wirft sich mit 100 km/h den Frust von der Seele, hat hier und da Glück und bringt den THW mit vier Toren in Folge mit 20:16 in Führung (39.). Duvnjak muss dann doch kurz stabilisieren, Gisli Kristjánsson darf ab der 44. Minute im Angriff ran, agiert ungestüm, will - meistens - mit dem Kopf durch die Wand. Irgendwie symptomatisch für den Abend.

Souverän, aber ohne Lockerheit bringt der THW die Pflichtaufgabe über die Bühne. Im Kollektiv, in dem sich alle noch einmal auszeichnen dürfen. "Die Spieler, die in letzter Zeit nicht so viele Spielzeiten bekommen haben, haben ihre Sache gut gemacht. Das freut mich", sagt Filip Jicha, wohl wissend, dass schon am Sonnabend in Skopje zwei starke Halbzeiten nötig sein werden, um zu gewinnen.

 (Von Tamo Schwarz und Merle Schaack aus den Kieler Nachrichten vom 11.10.2019, Foto: Sascha Klahn

Stimmen zum Spiel aus den Kieler Nachrichten

Filip Jicha, THW-Trainer: "Nordhorn hat seine Sache in der ersten Halbzeit sehr gut gemacht mit langen Angriffen und wenig Fehlern. Die HSG kam mit breiter Brust zu uns. Und meine Spieler konnten vielleicht nicht ganz ausblenden, dass sie schon ein paar Stunden später ein wichtiges Spiel in Skopje haben. Darum muss ich sie loben und bin sehr zufrieden, dass wir das Spiel gewonnen haben."

Geir Sveinsson, Nordhorn-Trainer: "Ich bin ganz, ganz stolz auf meine Spieler. Sie haben sich teuer verkauft, alles gegeben. Eine Niederlage mit acht Toren ist vielleicht ein bisschen zu hoch. Es war klar, dass wir gegen Kiel stark spielen müssen. Und in der ersten Halbzeit haben wir sehr wenig Fehler gemacht. Das war wichtig. Später hat der THW angefangen, zu rennen. Das hat uns viel gekostet."

Harald Reinkind, THW-Rückraumspieler: "Wenn man solche Spiele nicht gewinnt, bringt es einem unterm Strich auch nichts, gegen Flensburg oder andere Spitzenteams zu gewinnen. Solche Siege sind genauso wichtig. In der ersten Hälfte haben wir es uns selbst ein bisschen schwer gemacht. Mit meiner Leistung in der ersten Halbzeit war ich nicht zufrieden. Ich war richtig sauer auf mich selbst."

Ole Rahmel, THW-Rechtsaußen: "Wir haben verdient mit acht Toren gewonnen. Natürlich hätte der Sieg noch deutlicher ausfallen dürfen. Aber Nordhorn kam her, um sich zu beweisen. Die HSG hat gezeigt, dass sie Handball spielen kann. Deshalb haben wir erst in der zweiten Halbzeit so richtig zu unserem Spiel gefunden. Trotzdem war es über 60 Minuten eine konzentrierte Leistung von uns."

Bart Ravensbergen, HSG-Torwart: "Vor so vielen Leuten haben wir noch nicht oft gespielt - das hat richtig viel Spaß gemacht. Unsere Niederlage fiel am Ende vielleicht ein bisschen zu hoch aus. Schließlich waren wir zur Pause noch bis auf ein Tor dran. Aber grundsätzlich war es ein gutes Spiel. Für uns ist jede Erfahrung wichtig, und wir haben heute einige gute Sachen gemacht."